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Berlin: Durch die Blume an den Wein

Aus zwei mach einen: Floristin Petra Leidholdt und Wirt Martin Kramer teilen sich einen Laden in Prenzlauer Berg.

Da sieht man’s mal wieder: Manchmal schafft das Böse doch das Gute. Petra Leidholdt und Martin Kramer teilen sich in Prenzlauer Berg einen Laden. Sie verkauft tagsüber Blumen, er abends Wein. Aus der Not der Verdoppelung der Miete für Leidholts Blumenladen, haben die zwei Mitvierziger eine Tugend gemacht. Und jetzt sind beide auf eine verquere Art Gentrifizierungsgewinner. Dabei müsste zumindest Floristin Leidholdt ihr Opfer sein. Immerhin betrieb sie von 2004 bis Ende 2009 in der Kollwitzstraße 45 einen über zwei Etagen reichenden, großzügig verglasten Laden. Dann erhöhte der Vermieter die Kaltmiete von 1300 auf 2600 Euro und vorbei war’s mit der Pracht und Herrlichkeit. Das konnte sich die gebürtige Neuköllnerin, die unterdessen in Groß Ziethen lebt, nicht leisten. Jetzt werden in der Kollwitz 45 schicke Schuhe und Accessoires verkauft.

Leidholdt aber zog mit ihren Pötten und Vasen Anfang 2010 zu Martin Kramer ins Souterrainlokal „Kleiner Keller“ in der Kollwitzstraße 41, das jetzt tagsüber „La Cave fleurie“ heißt.

In das Haus ist der in Mecklenburg-Vorpommern geborene Krankenpfleger schon 1989 gezogen, den Weinhandel- und Ausschank betreibt er aber erst seit drei Jahren. „Als Ausgleich zu meinem anderen Job“, sagt er. Den kann er sicher brauchen: Er führt einen Pflegedienst mit 35 Mitarbeitern. Da mag er abends, wenn er hier kellnert, gerne Leute aus dem Kiez beim Wein um sich sehen.

So ist auch die Idee mit dem gemeinsamen Laden entstanden. Kramer und Leidholdt kannten sich aus der Nachbarschaft, sie und ihr Mann tranken mal bei ihm ein Glas, er kaufte bei ihr Blumen. Und als sie verzweifelt über die Mieterhöhung war, kam ihm plötzlich die Idee mit dem geteilten Laden. Gesagt, getan, Hauseigentümer und Ordnungsamt spielten mit. Kleine Umbauten wurden gemeinsam erledigt, jetzt zahlen sie die 730 Euro Kaltmiete gemeinsam. Mit den selbst im Haus lebenden Eigentümern sei das ganz ungezwungen gegangen, sagt Kramer. „Die freuen sich genau wie ich, dass der Laden jetzt auch tagsüber lebt.“

Auch Petra Leidholdt ist’s zufrieden, obwohl sie ihre Ladenfläche von 80 auf 25 Quadratmeter reduziert hat. Sie sei erleichtert, wieder beim Kerngeschäft gelandet zu sein, sagt sie. „Einfach nur Blumen verkaufen.“ Der Riesenladen vorher nötigte sie dazu, jede Menge Keramikwaren und Dekokram anzubieten, im Keller aber ist für Schnickschnack kein Platz. Bislang habe auch keiner ihrer Stammkunden das vermisst, meint Leidholdt. „Die sagen eher: ,Es ist toll, dass ihr zusammenhaltet und euch nicht vertreiben lasst.‘“

Solange es nicht friert, stellt sie ihre Blumen und Gestecke vor den Laden auf den Gehweg. Die Schnittblumen stehen drinnen auf der Kellertreppe. Das sieht wie ein überdekorierter Weinkeller aus. Links und rechts gibt es zwei kleine Gewölbe mit Tischen, geradeaus das Weinregal und die Minitheke, gebunden wird im hinteren Kellerraum. Alles ist aufs Wesentliche reduziert und schnell wegräumbar, wenn nach Blumenladenschluss um 19 Uhr der Kellnerdienst im um 20 Uhr öffnenden Weinkeller beginnt.

Damit haben die beiden Chefs deutlich mehr Abstimmung nötig als andere Ladenbetreiber in Berlin, die ein Mischsortiment aus Produkten oder Dienstleistungen anbieten. Die von zwei Brüdern in der Grünberger Straße in Friedrichshain betriebene, eigenwillige Kombi aus der Weinhandlung „Geistreich und benebelt“ und der Fahrschule „Murmel“ verfügt über zwei Räume. Genauso wie „Autos und Weine“ am Willmanndamm in Schöneberg. Oder der „Salon Sucre“ in der Görlitzer Straße in Kreuzberg, wo ein Inhaberpaar eine Frisierstube samt angeschlossener französischer Patisserie betreibt.

Und wie sieht’s im Keller mit der Harmonie unter den Geschäftsleuten aus. Sicher nicht immer ungetrübt? „Wie in einer Ehe“, sagen beide unisono. „Gelegentlich gibt es Stress, aber im Prinzip läuft’s.“ Sie wollen mit der Kombi weitermachen. Wäre sonst auch schade: Er bekommt bei ihr morgens um acht auf dem Weg zum Dienst schon einen Kaffee, sie abends bei ihm einen Feierabendwein. So märchenhaft kann Gentrifizierung im Kollwitz-Kiez sein.

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