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Berlin: Durch die Blume

Das Bundespräsidialamt hat seinen langjährigen Protokollchef an Europa verloren

Europa verlangt Opfer, das wissen nicht nur Steuerzahler. Mit Martin Löer hat die Berliner Kulturlandschaft nun eine Ausnahmeerscheinung an Luxemburg verloren. Der langjährige Protokollchef des Bundespräsidenten hat sich mit 61 Jahren zu einem Neustart entschlossen und wird künftig als Protokollchef des Europäischen Gerichtshofs wirken.

Rotweiße Glückskäfer aus Schokolade zierten die Tafel beim allerletzten Abschiedsdinner, das Bremens Staatsrätin Kerstin Kießler für ihn ausgerichtet hatte. Sie symbolisierten die menschliche Wärme, das bescheidene Auftreten, das Löer bei allen stilistischen Höhenflügen des Protokolls auszeichnet.

Bei einem anderen Abschiedsessen – auch die Botschafter Luxemburgs und Japans hatten ihm zu Ehren eingeladen – hatte der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe erzählt, dass Löer alle Gespräche mit den Politikern auch selber hätte führen können.

Muss man Jura studiert haben, um bei einem Bankett in letzter Minute einen Blumenstrauß noch mal so zu arrangieren, dass er nicht zu steif wirkt, sondern eher familiäre Willkommenssignale ausstrahlt? Solche Fragen wurden ihm gelegentlich gestellt, sind aber müßig. Um ein Klima zu schaffen, in dem Politik gedeihen kann, muss man neben den schönen Künsten auch Paragraphen-Zusammenhänge kennen. Löer ist durch seine ganze Biographie ein Idealfall fürs Protokoll. Als Diplomatensohn hat der gebürtige Westfale einen Teil seiner Jugend in Japan verbracht. 1978 trat er in die Senatskanzlei ein. Walter Jens holte ihn kurz nach der Wiedervereinigung als Präsidialsekretär an die Akademie der Künste, was man auch als hohe Schule der Diplomatie betrachten kann, denn Künstler können und dürfen schwierig sein. Aus jenen Jahren resultiert die Fertigkeit, offizielle Anlässe mit wahrhaft maßgeschneiderten Kulturprogrammen zu schmücken. Man muss nicht nur wissen, was dem Ehrengast wirklich Freude bereiten könnte, sondern auch, wo man dann genau die richtigen Künstler findet, und wie man die motiviert, um der Ehre Willen aufzutreten. Man kann nur hoffen, dass unter den europäischen Richtern viele musische Menschen sind.

Martin Löer spricht immer leise, glaubt, dass ein Protokollchef am besten unsichtbar wäre und achtet auf jedes Detail, nicht nur bei der Gestaltung von Tischordnungen, die ja ebenfalls eine sehr politische Angelegenheit sind, weil sie die Qualität von Gesprächen bestimmen.

Bevor Johannes Rau ihn ins Bundespräsidialamt holte, war Löer Protokollchef in Brandenburg, davor Vize im Berliner Protokoll. Das waren die Jahre, als die Alliierten eine große Rolle spielten in Berlin. Französisch zu sprechen, gehörte damals zum Arbeitsalltag. Das wird demnächst wieder so sein. Die Gäste seines Abschiedsessens unterhielt er freilich mit einem Gedicht in Japanisch, der Sprache seiner Jugend.Elisabeth Binder

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