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Franzosen-Schau: Durchs wilde Nachtleben

Jeremy Devooght über Toulouse-Lautrecs Gemälde „Das Sofa“ aus der Schau in der Neuen Nationalgalerie in Berlin.

Wie finden Franzosen, die in Berlin leben, die schönsten Franzosen aus New York? Wir haben sie gefragt – unsere Serie stellt Wahlberliner und ihre Lieblingsbilder vor.

Jeremy Devooght, 32, lebt seit etwas mehr als zwei Jahren in Berlin. Unter den Linden 62-68 leitet er die Peugeot Avenue Berlin. Repräsentiert wird dort nicht nur die französische Automarke, sondern mit Veranstaltungen, Ausstellungen und dem Café de France auch französische Lebensart. Deshalb hatte Devooght – den Namen verdankt der in Amiens geborene und in Paris aufgewachsene junge Mann seinem flämischen Ururgroßvater – eigentlich gar keine Zeit für schönste Franzosen aus New York, bereitete er doch gerade selbst eine Ausstellung vor. „Le Mans – das 24-Stunden-Rennen“ heißt die aktuelle Automobilschau in seinem Haus. In die Neue Nationalgalerie lockte ihn letztlich Henri de Toulouse-Lautrec – dessen Bild „Das Sofa“ gefiel Devooght in der Ausstellung besonders.

Der Kunstfreund: „Ich war noch sehr jung, da habe ich im Musée d’Orsay in Paris ein Bild von Toulouse-Lautrec gesehen, das mich so fesselte, dass ich damals sicher mehr als zehn Minuten davor stehen blieb. Es war so ganz anders, als man es sonst von ihm gewohnt war, der ja als der Chronist des Nachtlebens am Montmartre gilt. Ich erinnere mich an ein schönes Mädchen an einem Feld und in frischer Luft. Das Bild hier ist auch interessant, aber nicht, weil die beiden Frauen vielleicht aus dem Rotlichtmilieu sind. Toulouse-Lautrec hat immer sehr mit den Augen seiner Modelle experimentiert – die Frauen hier blicken ein bisschen müde, ein bisschen konzentriert, der Maler braucht wenig Effekt, um sich auszudrücken. Das Bild ist schön und effizient zugleich. Nicht umsonst gelten ja auch seine Plakate wie das für das 1889 eröffnete Moulin Rouge als ein Meilenstein in der Werbung.“

Das Gemälde. Das Bild „Le Sofa“, gemalt in Öl auf Karton, entstand um 1894-96, in der Zeit also, als Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) in einer Reihe von Bildern den Alltag der Prostituierten festhielt. Berufsmodelle fand der Maler, der einem der ältesten französischen Adelsgeschlechter entstammte, steif und leblos. „Empaillées“ nannte er sie – Strohpuppen. Dagegen schätzte er die Natürlichkeit der Prostituierten, „die sich vollkommen ungezwungen auf den Sofas ausstreckten“. Das Bild „Das Sofa“ steht in Verbindung mit drei anderen Gemälden, in deren Mittelpunkt die in lesbischen Paaren ausgetauschten Zärtlichkeiten stehen. Toulouse-Lautrec, der an einer erblichen Knochenkrankheit litt und nach zwei Beinbrüchen in der Jugend nicht mehr weitergewachsen war, verewigte aber nicht nur das ausschweifende Nachtleben des Fin de Siècle, er genoss es selbst in vollen Zügen. Zusammen mit exzessivem Alkoholkonsum beschleunigte das seinen frühen Tod mit erst 36 Jahren (Infos aus dem Katalog).

Heidemarie Mazuhn

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