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© Imago

East Side Gallery: Bruderzwist um Bruderkuss

Bei der Restaurierung der East Side Gallery gibt es Streit um Motive und Geld. Dmitri Vrubel war zu Besuch in Berlin und konnte sein weltberühmtes Bild nicht mehr finden - dank der Komplettsanierung. Andere Künstler verlangen hohe Honorare für das Nachmalen ihrer Werke.

Am Anfang stand Freundschaft, ein berühmter Berliner Bruderkuss zwischen Breschnew und Honecker. Diesen hat der russische Maler Dmitri Vrubel als einer von 118 internationalen Künstlern 1990 auf Reste der Berliner Mauer für die East Side Gallery gemalt. In dieser Woche war Vrubel zu Besuch in Berlin und fand sein weltberühmtes Bild nicht mehr: Im Zuge der für dieses Jahr geplanten Komplettsanierung des populären und stark maroden Denkmals in Friedrichshain ist das mit Graffiti übersäte, verwitterte Bild mit Wasserdampf entfernt worden. Dies soll in Kürze mit weiteren 102 Bildern geschehen, die dann von den Künstlern im Sommer originalgetreu neu aufgemalt werden. Dabei soll kein einziges Bild verloren gehen: Die Gemälde von fünf mittlerweile verstorbenen Künstlern, unter ihnen Lana Kim und Ingeborg Blumenthal, sollen von Mitgliedern der Künstlerinitiative East Side Gallery rekonstruiert werden.

Laut Kani Alavi, Vorsitzender der Initiative, habe Vrubel dem radikalen Sanierungsvorhaben in persönlichen Gesprächen längst zugestimmt. Doch in der vergangenen Woche äußerte sich Vrubel in den Medien erstaunt und erbost über das Verschwinden seines Werkes: „Mein Bild ist zerstört!“, klagte er gegenüber „Spiegel online“. Für Alavi ein eindeutiger Werbegag: „Vrubel bereitet in Berlin eine Ausstellung vor, er möchte nur ein bisschen Aufmerksamkeit erregen – das kann er meinetwegen gern tun.“ Denn kurz vor seiner Abreise am Freitag habe Vrubel, der für Nachfragen des Tagesspiegels gestern nicht erreichbar war, Alavi versichert, er werde sein Bild neu malen.

Doch der Zwist um einen historischen Bruderkuss ist nicht die einzige Unklarheit bei der Restaurierung. Größere Schwierigkeiten könnte die Weigerung von sechs Künstlern aus Deutschland, Österreich und den USA bedeuten, ihre Werke für die Summe von 4000 Euro Aufwandsentschädigung pro Bild neu zu malen. „Wir sind alle Berufskünstler und verlangen für unsere Arbeit ein angemessenes Honorar von 15 000 Euro“, sagt Künstler Bodo Sperling. Er wirft den Beteiligten – dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, der mit der Sanierung beauftragten „S.T.E.R.N. GmbH“ und der von Alavi geleiteten Künstlerinitiative – mangelnde Transparenz vor: Von den rund 2,17 Millionen Euro aus Mitteln von EU, Bund, Senat und der Lotteriestiftung sind eine knappe Million für die Instandsetzung der Gemälde vorgesehen.

„Hierunter fallen aber auch Posten wie ein Gerüst für 100 000 Euro, das wir Künstler gar nicht brauchen, viel zu hoch veranschlagte Kosten für die Farbe sowie 64 000 Euro, die der Künstlerinitiative für die Betreuung der anreisenden Künstler zukommen soll“, so Sperling. Seine Kollegen und er würden reelle Zahlen verlangen, damit der Rest angemessen auf die Künstlerhonorare umgelegt werden könne. Alavi sagt dazu, dass „einige Künstler über 80 Jahre alt sind, sie können nicht mehr wie 1990 auf Leitern steigen und brauchen ein rollbares Gerüst. Und die Farbe ist so kostspielig, weil sie hohen Ansprüchen an Verwitterungs- und Graffiti-Schutz genügen muss.“ Außerdem habe seine Initiative jahrelang ohne Vergütung gearbeitet und betreibe einen großen logistischen Aufwand, um alle Künstler nach 20 Jahren nach Berlin zu holen, die 64 000 Euro seien gerechtfertigt.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) glaubt an eine einvernehmliche Lösung. Und findet es aber verwunderlich, dass Alavi die Kontaktliste zu den Künstlern nicht an Sperling herausgeben will. Der sagt: „Soll Sperling das doch selbst recherchieren. Für seine negativen Zwecke bekommt er die Kontakte nicht.“ Eva Kalwa

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