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Kollegah (r) und Farid Bang bei der 27. Verleihung des Deutschen Musikpreises Echo.

© dpa

"Echo"-Verleihung: Buhrufe und für jeden ein Fläschchen Schnaps

Die Antisemitismus-Debatte hat die "Echo"-Preisverleihung überschattet - auch abseits der Bühne waren die Provokationen der Skandalrapper Thema des Abends.

In einer Picknick-Tüte für den langen Abend fanden die Live-Zuhörer des Echo in der Messe auch ein Fläschchen Schnaps. So leicht ließ sich das Unbehagen am Auftritt der wegen eines antisemitischen Textes hoch umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang freilich nicht betäuben. Dass sie tatsächlich auch noch einen Preis davon trugen, machte die Sache nicht leichter. Die vom Bundesverband der Musikindustrie selbst vorgeschlagene Debatte darüber, wie man und vor allem wie früh damit umgeht, eröffnete der selbst mit einem Echo ausgezeichnete Campino von den Toten Hosen auf hohem Niveau. In einer eindringlichen Rede sprach sich der Altmeister der Provokation souverän dafür aus, Linien zu setzen, wo die Grenzen der Provokation erreicht seien. Hier gehe es schließlich um einen Geist, der überall präsent sei in den Medien. Die Frage, die gestellt werden müsse, sei: „Wann ist die moralische Schmerzgrenze erreicht?“

Dass sie hier deutlich überschritten war, zeigten die ohrenbetäubenden Buhrufe, mit denen die Rapper auf der Bühne empfangen wurden, um sich tatsächlich auch noch einen Preis abzuholen. Dass sie dann auch noch über Campino herfielen mit groben Worten, weil der sie „an den Pranger gestellt“ habe, sprach für sich und dafür, dass die Debatte, wann man denn anfangen muss, darüber nachzudenken, was dem Hit durstigen Publikum vorgesetzt wird, tatsächlich geführt werden muss. Dass nicht alle jungen Youtuber damit was anfangen können, wurde auch klar. Aber auch dort gibt es problembewusste Influencer wie die 27-jährige Nihan, die fand, dass man mit so viel Leid, wie es in dem umstrittenen Stück vorkommt, kein Geld verdienen sollte.

Leslie Mandoki gab bei der Aftershow-Party zu bedenken, dass der Kampf gegen Antisemitismus ebenso unverbrüchlich zur deutschen Leitkultur gehört wie die Privatsache Religion und der Respekt vor anderen Menschen. Der gebürtige Ungar fand es aber richtig, dass man die Rapper eingeladen und mit ihnen gestritten hat. Insofern hat ein Preis, der nicht auf die Meinung von Experten, sondern auf die Charts schaut, auch etwas Gutes, fast eine Kontrollfunktion. Jedenfalls wirft er ein Scheinwerferlicht darauf, was manche unter ihren Kopfhörern vermummten Leute tatsächlich hören. So kann sich immerhin ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie man dem entgegenwirken kann.

Doch, es gab bei der langen Verleihung auch schöne und spritzige Momente, Helene Fischer im Duett mit dem Despacito-Star Luis Fonsi etwa oder die eingespielte Gratulation von Paul McCartney für den Berliner Lebenswerk-Preisträger Klaus Voormann. Die lustige Einspielung von Ed Sheeran, der zur Feier seiner drei Echos sich beim nächsten Berlin-Aufenthalt im Juli mit Currywurst und Sauerkraut belohnen will, zählte dazu. Auch der Auftritt von Fetsum und Teddy, die für ihr Peace by Peace Festival zugunsten von Flüchtlingskindern den Preis für Soziales Engagement davon trugen, war eindrucksvoll. Eigentlich schade, dass die Abgründe davon so abgelenkt haben.

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