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Die Scientologen nennen sich „Kirche“, obwohl ihre Lehre nichts mit Jesus zu tun hat. Warum sich Protestanten und Katholiken nicht dagegen wehren

In großen Buchstaben prangt das Wort „Kirche“ an der Tür der neuen Hauptstadtzentrale von Scientology in Charlottenburg. „Dass die sich ,Kirche’ nennen, ist mit einer der ärgerlichsten Punkte an der Organisation“, sagt Thomas Gandow, der Sektenbeauftragte der evangelischen Landeskirche. „Damit beschädigen sie grundsätzlich den Begriff von Kirche und Religion.“

Das Wort „Kirche“ komme von dem griechischen „kyriakon“ und bedeute „zum Herrn gehörend“. Der Herr, das ist Jesus Christus. Mit Jesus aber habe Scientology nichts gemein. Im Gegenteil, sagt Gandow. Scientology-Gründer L. Ron Hubbard habe behauptet, Jesus Christus habe nicht existiert und das Christentum sei ein elektronisches Implantat. Deshalb sei auch das Kreuz, das die umstrittene Organisation als Zeichen benutze, durchgestrichen. Das aber falle nur den Wenigsten auf.

„Ich frage mich, warum die richtigen Kirchen sich noch nie dagegen gewehrt haben, dass sich Scientology Kirche nennt“, sagt Ursula Caberta, die in der Hamburger Innenbehörde die Arbeitsgruppe Scientology leitet. Sie glaubt, dass die richtigen Kirchen vor Gericht Erfolg damit hätten.

Da ist Sektenbeauftragter Thomas Gandow anderer Ansicht. „Kirche“ sei kein geschützter Begriff. „Wenn wir gegen alle vorgehen wollten, die sich ,Kirche’ nennen, hätten wir viel zu tun“, sagt Harald Baer, der Beauftragte für Weltanschauungsfragen bei der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz. Die Aufgabe der katholischen Kirche sei es vielmehr, darüber aufzuklären, was Scientology macht. Und da bemerke man schnell, dass das mit Kirche oder Religion nichts zu tun hat, sondern viel mit „Wald- und Wiesenpsychologie“.

Die Scientologen wollen morgen ihr Gebäude eröffnen. Die Organisation hatte beantragt, dass von 11 bis 13 Uhr die Otto-Suhr-Allee zwischen Cauerstraße und Marie-Elisabeth-Lüders- Straße gesperrt wird, um Bühne, Kameras und Videoleinwände aufzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Sperrung gestern abgelehnt. Zur Eröffnung hat Scientology auch die US-Botschaft eingeladen. Man werde einen Vertreter schicken, sagte Botschafter William R. Timken. Wie Deutschland sich gegenüber Scientology verhalte, sei Sache der Deutschen, die USA hätten eine andere Haltung. Timken: „Wir finden, man sollte die Religions- und Glaubensfreiheit möglichst umfassend verstehen. Fragen des Glaubens und der Religion sollten Sache des Individuums sein, nicht des Staates.“

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