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Berlin: Ein Flugzeugträger für Berlin

Das Technikmuseum legt sich eine Flotte von über 50 Modellschiffen zu. Das Original des größten, die „USS George Washington“, hat Bill Clinton 1994 als Kanalfähre gedient

D-Day, 50 Jahre später. Noch einmal war eine Flotte von der Isle of Man gen Normandie aufgebrochen, wo die Feiern zum Jubiläum der Landung am 6. Juni 1944 ihren Höhepunkt finden sollten. Die Queen nahm die Parade an Bord ihrer Yacht „Britannia“ ab, US-Präsident Bill Clinton hatte für die Überfahrt den Flugzeugträger „George Washington“ gewählt. Die Seereise kam der US-Marine teuer zu stehen: Hinterher fehlten 68 Handtücher und 16 Bademäntel im Gesamtwert von 562 Dollar, die offenbar Mitarbeiter des Weißen Hauses und Presseleute als Souvenirs hatten mitgehen lassen.

Die „George Washington“, sechstes Schiff der Nimitz-Klasse, ist ein Gigant. Über 18 000 Quadratmeter misst allein ihr Flugdeck. Die neue Schifffahrtsabteilung des Deutschen Technikmuseums, künftig weltweit eine der größten Ausstellungen zu diesem Thema, hätte darauf fast drei Mal Platz. Ein nahe liegender Vergleich: Wenn der Neubau am Landwehrkanal am 14. Dezember auf zunächst zwei Etagen zur Schifffahrtsgeschichte eröffnet wird, ist auch der Träger dabei, zwar nur als Modell, doch mit 7,20 Metern Länge das größte des Museums.

Noch steht die Großraumvitrine, die die „George Washington“ aufnehmen soll, leer im zweiten, der Hochseeschifffahrt reservierten Obergeschoss. In anderen Glaskästen dagegen blähen sich schon die Segel, bei der um 1535 gebauten Galeone „Santa Maria del Pilar“ etwa, dem Flaggschiff Karls V., oder bei dem Clipper „Young America“ von 1853. Mit 55 Modellen wird die maritime Menschheitsgeschichte nachgezeichnet, vom Fellboot vorzeitlicher Jäger, gebaut um 10 000 v. Chr., bis zur „George Washington“. Fast alle Modelle entstehen im Maßstab 1 : 50, nur der Träger in der Sparversion 1 : 48. Das Schiff wird dadurch nicht billiger, aber die Flugzeuge kann man nun einfach im Fachhandel kaufen, freut sich Dirk Böndel, Leiter der Abteilung und auch stellvertretender Direktor. Die Ausstellung soll nicht einfach die Technikgeschichte nachzeichnen, sondern zugleich gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche oder militärische Entwicklungen spiegeln. Im Falle der „George Washington“ zum Beispiel die Neudefinition der Träger-Aufgaben nach Ende des Kalten Krieges. Gebaut zum Schutz der westlichen Hochseewege gegen die Sowjetflotte, dienen sie nun vor allem der „küstennahen Gefechtsführung“ in Krisenregionen. Teilweise mussten sie dafür sogar mit neuen, anders spezialisierten Jets ausgerüstet werden.

Haupteinsatzgebiete der „George Washington“ waren seit 1994 Mittelmeer und Golf-Region. Dem von ihr geführten Kampfverband gehörte auch der Zerstörer „Cole“ an, der am 12. Oktober 2000 im Hafen von Aden von einem Terrorkommando attackiert wurde. Im Spätsommer 2001 war der Träger an der amerikanischen Ostküste eingesetzt. Unmittelbar nach dem 11. September übernahmen seine Jäger den Schutz New Yorks gegen mögliche weitere Anschläge aus der Luft. Am zweiten Golf-Krieg war die „George Washington“ nicht beteiligt. Ende Februar 2003 hatte ein sechsmonatiger Werftaufenthalt im Heimathafen von Norfolk, Virginia, begonnen.

Andere Entwicklungen im Schiffsbau hatten wirtschaftliche Gründe: Die Metallplatten, die um 1540 einer spanischen Galeone unter den Rumpf genagelt wurden, deuten auf die Ausbeutung der karibischen Kolonien. Große Schiffe waren nötig, gegen Piraten mit Kanonen, gegen den Schiffsbohrwurm mit Blei gerüstet. Wegen der Kupfernägel funktionierte das nicht: Elektrolyse! Erst die Briten im 18. Jahrhundert kamen auf die Idee, gleich auch Kupferplatten zu nehmen.

Natürlich werden auch die Kolonialmachtträume des Großen Kurfürsten, der in Berlin vorübergehend sogar Hochseeschiffe bauen ließ, in der Ausstellung gewürdigt. Für die 35 000 Afrikaner, die im späten 17. Jahrhundert auf brandenburgischen Sklavenschiffen nach Amerika verschleppt wurden, war es dagegen ein Albtraum, der veranschaulicht werden soll, so gut ein Museum das vermag: Dutzende von lebensgroßen Sklavenfiguren, aus Styropor geschnitzt und angemalt, sollen nach bisheriger Planung stählerne Regale bevölkern – ein gespenstisches Bild: der Mensch als Ware, ordentlich einsortiert und hinter Glastüren weggeschlossen.

Mit dem Flottenbau schließt das Museum zugleich manche technikgeschichtliche Wissenslücke. Nach 1600 gibt es halbwegs zuverlässige Baupläne, davor ist man oft auf Spekulation verwiesen, besonders über das Unterwasserschiff, dessen Form erst über die Leistung entscheidet. Gemeinsam mit dem TU-Institut für Schiffs- und Meerestechnik und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau hat man daher gründlich geforscht: Neu angefertigte Bauzeichnungen von Rümpfen wurden digitalisiert in Rechner eingelesen, mit modernen Programmen überprüft und später als Modell in der Tiefwasserrinne getestet. Nicht, dass eine akribisch nachmodellierte Galeone in der Vitrine steht, die schon bei Windstärke 1 kläglich kentern müsste.

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