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Canisius-Kolleg: Ein Lehrer gestand Missbrauch

Canisius-Rektor Mertes spricht von zwei Tätern und sieben Opfern. Hinweise gab es schon in den 80er Jahren.

Der Rektor und Pater Klaus Mertes spricht von „ekelhaften, schrecklichen Sachen“, Schüler, Eltern und Lehrer sind schockiert: Seit am Donnerstag bekannt wurde, dass am jesuitischen Canisius-Kolleg in Tiergarten jahrelang Kinder sexuell missbraucht wurden, überschatten diese Vorwürfe den Alltag der als Elitegymnasium geltenden Schule. Die Übergriffe durch mindestens zwei Patres ereigneten sich offenbar zwischen 1975 und 1983. Sie seien an mindestens sieben männlichen Schülern zwischen 13 und 17 Jahren begangen worden, sagte Mertes am Donnerstag auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Er gehe allerdings von einer höheren Dunkelziffer aus. Das Dezernat für Sexualdelikte des Landeskriminalamtes (LKA) hat ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Nach Angaben der Schule bestreitet zumindest einer der Beschuldigten die Vorwürfe nicht.

Die Missbräuche waren öffentlich geworden, nachdem Rektor Mertes in den vergangenen Tagen in einem Brief an rund 500 ehemalige Schüler der betroffenen 70er und 80er-Jahrgänge auf die Vorfälle einging und um Entschuldigung bat (siehe nebenstehenden Text). Zuvor hatten sich Anfang des Jahres fünf männliche Opfer bei ihm gemeldet und offenbart. Sexuelle Missbrauchsfälle waren am Kolleg aber offenbar schon in früheren Jahren zumindest intern bekannt gewesen. 2004 und 2005 habe es zwei „Opfermeldungen“ von einstigen Schülern gegeben. Sie hatten sich an den Rektor gewandt, ihn aber „um Stillschweigen“ gebeten. Laut Mertes gab es bereits vorher „immer wieder Gerüchte“. Kritiker rügten daher gestern, die Schule hätte die Fälle nicht „unter den Teppich kehren dürfen“.

Es sei nicht auszuschließen, dass auch Mädchen unter den Opfern seien, hieß es . An der Schule werden seit Mitte der 70er Jahre beide Geschlechter unterrichtet. Nach den bisherigen Erkenntnissen des Rektors wurden die betroffenen Schüler offenbar nicht „über längere Zeiträume“dauerhaft missbraucht, sondern jeweils einmalig. Dadurch sei die Zahl der Opfer vermutlich höher, als bislang bekannt.

Die Täter gingen laut Mertes immer „nach demselben Muster“ vor. Welcher Art die Übergriffe waren, wollte er mit Rücksicht auf die Opfer nicht sagen. Die Schulleitung führte mit den zwei beschuldigten Patres inzwischen „intensive Gespräche“. Dabei gab einer der beiden Männer seine Taten zu. Diese Aufarbeitung leitet die Berliner Rechtsanwältin und Mediatorin Ursula Raue. Sie ist vom Jesuitenorden 2007 als „Beauftragte für Missbrauchsfälle“ berufen worden. Bei den Gesprächen habe sich bestätigt, dass Männer nach derartigen Übergriffen oft denken, „so schlimm sei das gar nicht, was sie getan haben“, sagte Raue. Ziel sei, dass sich die Täter zumindest entschuldigen. Beide einstigen Lehrer haben den Jesuitenorden in den 80er Jahren verlassen. Warum sie ausgeschieden sind und ob bereits damals etwas von den Vorfällen bekannt war, werde jetzt „intern recherchiert.“

Ein Artikel von Ursula Raue über Persönlichkeitsveränderungen bei sexuell missbrauchten Kindern war Ende 2009 an Eltern des Kollegs verteilt worden – verbunden mit einem Hinweis zur Achtsamkeit. Die Folge war aber auch, dass sich die fünf Opfer beim Rektor meldeten. Von deren Seite liegen bislang keine Anzeigen vor. Ihnen wurde von der Schule Diskretion zugesichert. Zurzeit prüft die Polizei in jedem Einzelfall, ob die Taten verjährt sind. Laut Strafrecht verjährt ein sexueller Missbrauch je nach Schwere der Tat nach zehn oder zwanzig Jahren. Sind die Opfer zum Tatzeitpunkt noch minderjährig, setzt die Frist erst ein, wenn die Missbrauchten 18 Jahre alt geworden sind.

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