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tierschutzbeauftragter

© Mike Wolff

Tierschutz: Ein Mann für alle Felle

Klaus Lüdcke ist zu Berlins erstem Tierschutzbeauftragten berufen worden. Er will vor allem informieren - und das Miteinander von Mensch und Tier in der Stadt verbessern.

Spar dir die Krawatte, haben ihm alte Bekannte geraten, sei entspannt, du bist schließlich im Ruhestand. Also ist Klaus Lüdcke am Montag mit offenem Hemdkragen zu Katrin Lompscher gereist. Die Umweltsenatorin hat ihn zum Tierschutzbeauftragten des Landes berufen. Auf dem Weg von seiner Zehlendorfer Wohnung zur Senatsverwaltung in Mitte hat Lüdcke sich noch Zeit für einen Kaffee mit dem Tagesspiegel genommen. Das muss an dieser Stelle gesagt werden, denn Lüdcke liest den Tagesspiegel seit einem Artikel über das Flusspferd Knautschke regelmäßig. Genauer gesagt handelte der Artikel davon, dass Knautschke, weil weltkriegstraumatisiert, sein Wasserloch nicht mehr verlassen mag. Erschienen ist der Beitrag 1948. Da war Klaus Lüdcke neun.

Nach der Schule wollte er Tierarzt werden, am liebsten Großtierpraktiker, also verantwortlich für Kuh & Co. Er wurde dann nicht mal Kleintierpraktiker. Stattdessen „Fachtierarzt für Information und Dokumentation“, also Wissensvermittler. Außerdem Fachbibliotheksleiter im Umweltbundesamt, Tierschutzpolitiker, Präsident der Berliner Tierärztekammer und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Naturschutz Berlin. Letzterem sind beispielsweise das Ökowerk Teufelssee und Dutzende begrünter Hinterhöfe zu verdanken. Vor sechs Jahren dankte der Staat zurück und verlieh ihm das Bundesverdienstkreuz.

Jetzt ist wieder Lüdcke an der Reihe. In der Umweltverwaltung haben sie ihm eine Geschäftsstelle eingerichtet und eine Geschäftsstellenleiterin aus dem Stellenpool („die Frau ist klasse“) dazugegeben. Mit ihr will Lüdcke erreichen, dass Menschen und Tiere besser miteinander auskommen. Etwa durch klare Verhältnisse: Lieber viele kleine Hundeauslaufgebiete statt nur ein großes im Grunewald. Dafür konsequente Ächtung von Hunden auf Spielplätzen oder in Naturschutzgebieten. Lüdcke sagt: „Natürlich gehören Hunde in die Stadt.“ Tiere täten den Menschen gut – zumal den Einsamen, von denen es in Berlin so viele gebe. Und er sagt auch: „Es gehört verdammt noch mal dazu, dass man den Hund alle Vierteljahre entwurmt.“ Dieser Satz wird der einzige bleiben, bei dem Lüdcke zu jedem Wort auf den Tisch haut. Ihm wäre auch ein „Hundeführerschein“ sehr recht, der ja nur aus ein paar Trainingsstunden bestehen müsse, in denen dem Hund manche Unart ausgetrieben werde – ob es nun übermäßiges Gekläff sei oder die Hatz auf Radler. „Wir haben ja in Berlin für jede Macke geeignete Trainer“, sagt Lüdcke. Er würde die Hundehalter zu dem Kurs nicht zwingen, „sondern locken“, etwa durch einen Steuerbonus.

Fürs Erste noch wichtiger ist ihm allerdings die Kennzeichnung aller Hunde und Katzen mit einem elektronischen Chip, „damit das mit dem Aussetzen aufhört“. Weil Lüdcke aber kein großer Vorschriftsfan ist, will er den Leuten vor allem ins Bewusstsein rufen, dass es Tierpensionen gibt, wo die haarigen Familienmitglieder während des Urlaubs bleiben können. Und informieren will er, damit weniger Tiere unter der Unwissenheit ihres Besitzers leiden. Vögel sind für ihn so ein Fall, bei dem oft ohne böse Absicht – nach dem Motto: „Wenn der Wellensittich schon 35 Euro kostet, spare ich wenigstens am Käfig!“ – manches schiefläuft. „Ein Kanarienvogel kann durchaus 15 Jahre alt werden, der muss nicht nach drei oder fünf Jahren sterben.“

Draußen fliegen Tauben vorbei; Anlass für eine weitere Klarstellung: „Wenn jetzt hier eine Oma käme und denen drei Pfund Weizen auf die Wiese streuen würde, wäre ich sofort zur Stelle. So was geht nicht!“ Auch ohne Fütterung verhungere keine Taube – aber mit würden es zu viele. Das Wildschweinproblem der Außenbezirke habe ähnliche Ursachen, und die inzwischen beinahe normal gewordenen City-Füchse „wollen ja nicht in die Oper gehen, sondern suchen Futter“.

Möglichst viel von dem, was er den Leuten zu sagen hat, will Lüdcke demnächst auf den Internetseiten der Umweltverwaltung präsentieren. Der Tierschutzverein nennt ihn „den besten Mann, den man dafür finden konnte“. Zugleich ist er der billigste: Er verzichte auf seine Aufwandsentschädigung, sagt Klaus Lüdcke. „Aus Prinzip.“ Man könne ja mal was fürs Gemeinwohl tun.

Sprechstunde: Mi. 10–12 Uhr, Oranienstr. 106, Raum 2.073; Tel.: 9028 1264

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