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Berlin: Ein neuer Berliner Pflegefall – Charité mit hohem Millionendefizit

Klinikum musste Rücklagen auflösen. Krankenhaus-Chef: „Taktischer Verlust“

Dem Land Berlin droht neben dem hoch verschuldeten Vivantes-Konzern ein weiterer Krankenhaus-Pflegefall: Das Universitätsklinikum Charité bringt Verluste – und bürdet der unterm Namen Charité vereinigten Berliner Hochschulmedizin von Humboldt- und Freier Universität eine schwere Hypothek auf. Laut einem Bericht von Wirtschaftsprüfern, der dem Tagesspiegel vorliegt, sammelte die „alte“ Charité, bestehend aus dem Standort in Mitte und dem Virchow-Klinikum in Wedding, bis zum 31. Mai 2003 ein Defizit von rund 33 Millionen Euro an.

Nur weil das Klinikum daraufhin zum Teil seine Rücklagen auflöste, reduzierte es das Minus auf rund 29 Millionen Euro. Und dieser Saldo könnte noch schlechter ausfallen. Denn auf der Habenseite verbuchte die Charité bereits sechs Millionen Euro, die ihr das Land für den Verkauf der ehemaligen Charité-Kliniken in Buch an den Helios-Konzern schulden soll. Doch der Senat hat diese Forderung bereits zurückgewiesen.

Trotzdem sagt der Charité-Verwaltungsdirektor Bernhard Motzkus: „Das Klinikum ist ein kerngesundes Unternehmen.“ Schließlich habe man eine Rücklage von 28 Millionen (die aber zum großen Teil projektgebunden und zum anderen Teil bereits in die Reduzierung des Defizites geflossen ist) und noch einmal Rückstellungen von 124 Millionen Euro für die Pensionsansprüche von Mitarbeitern (an die das Klinikum aber nicht mehr herankommt). Der ausgewiesene Verlust sei ein rein taktischer, sagt Motzkus. „Um die einzelnen Abteilungen zum Sparen anzuhalten.“ Außerdem habe die Charité 50 zusätzliche Ärzte einstellen müssen, um den Arbeitszeitregelungen genüge zu tun. Allein diese Neueinstellungen kosteten rund fünf Millionen Euro im Jahr.

Insider erwarten, dass sich die wirtschaftliche Lage der Charité, die am 1. Juni mit dem Steglitzer Benjamin-Franklin-Klinikum fusionierte, weiter verschlechtern wird. Die Eröffnungsbilanz der neuen Riesenklinik werde wohl ein Minus von fast 40 Millionen Euro ausweisen. Das wäre ein schlechter Start für die Berliner Hochschulmedizin, aus der das Land bis 2010 insgesamt 98 Millionen Euro staatlicher Zuschüsse heraussparen will. Doch im schlimmsten Falle muss das Land sogar draufzahlen, denn es steht für die Verluste des Klinikums bei einer Pleite gerade.

Und es drohen weitere Belastungen: Das mit den Krankenkassen ausgehandelte Budget für 2003, auf dessen Grundlage die Charité derzeit arbeitet, ist nicht endgültig. Denn der 442 Millionen Euro umfassende Etat kam nur durch ein Schlichtungsverfahren zustande, gegen den Widerstand der Krankenkassen. Die fordern eine Senkung des Budgets um 43 Millionen Euro und wollen notfalls dafür auch vor Gericht ziehen.

Kämen die Kassen damit durch, verhagelte dies endgültig die Bilanz des Klinikums. Und sie haben gute Chancen, denn selbst die Schiedsstelle konstatierte „deutliche Hinweise auf eine unwirtschaftliche Leistungserbringung“ in der Charité.

„Für ein Universitätsklinikum werden dort viel zu viele leichte Fälle behandelt für viel zu viel Geld“, sagt Andreas Kniesche, Sprecher der Berliner Ersatzkassen. Und schon im August 2002 stellte eine Expertenkommission in einem vertraulichen Gutachten für das Land fest, dass die Charité im Vergleich zu den deutschen Universitätsklinika überdurchschnittlich viel Personal habe, zu viel für Sachkosten aufwende und dafür zu geringe Leistungen abliefere.

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