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Berlin: Ein Parteitag der Proteste

SPD diskutiert umstrittene Ideen unter anderem zum Ethikunterricht und zur Gemeinschaftsschule

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Monatelang wurde diskutiert, heute sollen Entscheidungen fallen: Auf ihrem Parteitag in der Kongresshalle am Alexanderplatz will die SPD bildungspolitische Leitlinien für die kommenden Jahre festlegen. Da es um Streitpunkte wie Gemeinschaftsschule und Werteerziehung geht, haben Verbände, Gewerkschaften, Studenten und ein „Notbund für den evangelischen Religionsunterricht“ Proteste und Demonstrationen angekündigt. Die Themen des Parteitags im Einzelnen:

Werteunterricht: Mit dem Schuljahr 2006/07 soll ein Werteunterricht als Pflichtfach eingeführt werden. Der Religions- und Weltanschauungsunterricht bleibt als freiwilliges Angebot in den Schulen erhalten. Ob das neue Fach sich am brandenburgischen LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) orientiert oder am Fach Ethik/Philosophie, das es in Berlin als Modellversuch gibt, ist offen. Wie die Grünen und die PDS geht die SPD davon aus, dass es das neue Fach zunächst nur ab Klasse 7 geben soll. Dies würde bedeuten, dass die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Grundschule nicht der Konkurrenz durch das neue Fach ausgesetzt wären. Anders als die SPD schlägt die PDS vor, kein ganz neues Fach zu installieren, sondern Sozialkunde um eine Stunde aufzustocken und mit religionskundlichen Inhalten zu erweitern. Dies hätte den Vorteil, dass die Stundentafel weniger stark ausgeweitet werden müsste. CDU und FDP beharren wie die Kirchen darauf, dass das neue Fach zugunsten von Religionsunterricht abgewählt werden kann.

Gemeinschaftsschule: Die SPD strebt als „bildungspolitische Perspektive“ eine Schule an, in der alle Schüler bis zum Ende der 10. Klasse gemeinsam und ganztägig lernen und individuell gefördert werden. Dafür müssten die Schulen besser ausgestattet werden. Das dreigliedrige Schulsystem soll langfristig abgeschafft werden, weil es sozial schwache Schichten benachteilige. Die Berliner Wirtschaft lehnt diese Vorhaben als „bildungspolitischen Amoklauf“ ab. Unternehmen würden abgeschreckt, sich in Berlin anzusiedeln, wenn es dazu komme. Stattdessen solle es mehr Gymnasien ab Klasse 5 geben. Wie FU-Präsident Dieter Lenzen plädieren sie dafür, dass Haupt-, Real- und Gesamtschulen zu einem Schultyp verschmolzen werden. Die CDU will es bei dem jetzigen viel gliedrigen Schulsystem belassen und lehnt die neue Debatte um die „Einheitsschule“ als „Rückschritt in die 70er“ ab.

Kitas: Für die Betreuung in Kindertagesstätten sollen auf längere Sicht keine Gebühren erhoben werden. In jedem Fall soll das letzte Kitajahr kostenfrei sein. Eine Reihenuntersuchung soll spätestens im 4. Lebensjahr klären, welche Kinder sprachlich oder körperlich spät entwickelt sind, um sie möglicherweise zum Kitabesuch zu verpflichten. Eine Erzieherin soll maximal 15 Kinder betreuen.

Sofortprogramm: In den sozialen Brennpunkten sollen bis Ende der Wahlperiode 2006 die Schulen zusätzliche Honorar- und Sachmittel erhalten. Etwa für den Aufbau von Klassenbüchereien. Außerdem soll dort in den Grundschulen die Frequenz in den Eingangsklassen auf 20 Schüler, in den Gesamt- und Realschulen sowie Gymnasien auf 23 Schüler begrenzt werden. Für Kinder, die den Sprachtest nicht bestehen, sollen die vorschulischen Sprachförderkurse auf 20 Unterrichtsstunden pro Woche ausgeweitet werden. In sozial schwachen Stadtregionen sollen vorrangig Ganztagsschulen eingerichtet werden. In allen Schulen sollen bis 2006 der Teilungsunterricht verstärkt und die Hortbetreuung ausgebaut werden. Das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm soll ungekürzt fortgeführt und längerfristig durch ein Kitasanierungsprogramm ergänzt werden. Die Lehrerfortbildung soll ausgebaut und noch in dieser Legislaturperiode ein Hochschul übergreifendes Lehrerbildungszentrum eingerichtet werden.

Privat- und Europaschulen : Europaschulen sollen nur noch an Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe eingerichtet werden. Und damit private Schulen „nicht als Fluchtort genutzt“ werden, müssten staatliche Bildungseinrichtungen ausreichend finanziert werden.

Berufsausbildung: Falls die Unternehmen in Berlin nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, so wie im Ausbildungspakt vereinbart, hält die SPD eine Ausbildungsplatzumlage für sinnvoll. Eine neue Ausbildungsoffensive sei notwendig, weil mehr als die Hälfte der jugendlichen Arbeitslosen unter 25 Jahre keine abgeschlossene Berufsausbildung habe.

Hochschulen: Studiengebühren für das Erststudium werden abgelehnt und stattdessen ein Studienkontenmodell gefordert. Wenn andere Bundesländer Studiengebühren einführen sollten und deshalb viele Studierende nach Berlin drängen, müsse der Senat mit einer „Landeskinderregelung“ gegensteuern.

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