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Berlin: Ein Stück Wedding im Wandel

Das „Rotaprint-Gelände“ soll als Teil eines Immobilienpakets verkauft werden Künstler und Projekte bangen nun um ihre Räume – sie konnten nicht mitbieten

Der Seitenturm hat es ihnen angetan. Große Fensterfronten prägen den verschachtelten Bau auf dem ehemaligen „Rotaprint-Gelände“ in Wedding. Was für den Laien aussieht wie ein Stapel großer, heruntergekommener Bauklötze, ist für die Experten ein architektonisches Erlebnis. „Das ist Nachkriegsmoderne wie sie nirgends sonst in Berlin zu finden ist“, schwärmen Daniela Brahm und André Reutter. Sie gehören zur Künstlergruppe „Soup“, die sich auf dem Gelände des ehemaligen Druckmaschinenherstellers vor fünf Jahren niedergelassen hat. „Wir sind hier nur wegen der einzigartigen Architektur hergezogen“, sagt Brahm. Die Gebäude des Architekten Klaus Kirsten zählen laut Denkmalschutzbericht zu den besten architektonischen Leistungen der fünfziger Jahre und stehen deshalb auch unter Denkmalschutz.

„Soup“ ist nicht allein auf dem Gelände in der Nähe des Nauener Platzes. Zahlreiche andere Künstler, Vereine, Initiativen und soziale Träger wie die Lernwerkstatt, ein Verein, der vor allem Sprachkurse anbietet und Integrationshilfen leistet, haben sich hier niedergelassen. Daneben haben sich Gewerbetreibende wie ein Schreiner oder ein türkischer Unternehmer, der Inneneinrichtungen für Dönerbuden herstellt, angesiedelt.

„Das ist eine echte Begegnungsstätte mit viel schlummerndem Potenzial, das sich positiv auf die Entwicklung des gesamten Bezirks auswirken kann“, sagt Christian Luchmann vom Quartiersmanagement. Doch damit könnte es schon bald vorbei sein, befürchten einige Mieter. Das Land Berlin, das nach der Pleite von Rotaprint 1989 in den Besitz des Grundstücks kam, will das Areal verkaufen. Seit 1992 wird das schon versucht, bisher ohne Erfolg – jetzt aber kommt Bewegung in die Pläne.

Der Liegenschaftsfonds (Lifo), ein vom Land eingesetzter Treuhänder, wurde vom Senat 2001 beauftragt, das „Rotaprint-Gelände“ zu verkaufen. Zunächst wurde das Grundstück geteilt und eine Hälfte an eine Supermarktkette verkauft, die dort gerade eine neue Filiale baut. Der Rest soll nun an einen Investor gehen.

Im Jahr 2006 packte der Lifo dazu das 9000 Quadratmeter große Gelände in ein Paket mit anderen Grundstücken. Mögliche Investoren mussten für das gesamte Paket, in dem 45 Immobilien zusammengeschnürt waren, bieten. „Die Bieterfrist ist abgelaufen und wir hoffen im Januar einen unterschriftsreifen Vertrag vorlegen zu können“, sagt Irina Dähne vom Lifo. Es gebe mehrere Angebote. Sie betont, dass der Lifo nur den Auftrag des Senats ausführt. „Es ist eine politische Entscheidung, das Grundstück gewinnbringend zu verkaufen, daran müssen wir uns halten.“ Doch viele Mieter fürchten nun, dass ein Investor das weniger attraktive Grundstück in Wedding verfallen lässt und sich nur für die anderen aus dem Gesamtpaket interessiert.

Dabei gab es auch ein Angebot der jetzigen Mieter. Les Schließer ist ebenfalls Mitglied der Künstlergruppe „Soup“ und hat zusammen mit seinen Mitstreitern 2005 den Verein „ExRotaprint“ gegründet. „Wir wollen in dem Verein die Interessen der Mieter bündeln, die soziale Infrastruktur hier bewahren und ausbauen“, sagt Schließer. Die Idee war, dass „ExRotaprint“ das Grundstück drei Jahre verwaltet, aufpoliert und dann kauft. Dem Liegenschaftsfonds trugen sie ihre Pläne ebenfalls in diesem Jahr vor.

Daraufhin war der Lifo den Künstlern gegenüber auch von seinen Vorstellungen abgerückt, einen eigens festgelegten Verkehrswert, etwa 2,2 Millionen Euro, für das Grundstück zu verlangen, erzählt Schließer. Stattdessen habe ein Marktwert ermittelt werden sollen, indem verschiedene Interessenten ihr Angebot abgeben sollten. „ExRotaprint“ bot einen Euro. Mehr war für den Verein nicht drin, weil die Sanierungskosten hoch geworden wären und eine Mieterhöhung alle Mieter vertrieben hätte, erklärt Schließer. Der Liegenschaftsfonds habe überlegt und dem Verein ein anderes Angebot gemacht: Die Gebäude für einen Euro, den Boden für knapp eine Million Euro in Erbpacht. 45 000 Euro hätten sie jährlich zahlen müssen. Auch das wäre schwer zu finanzieren gewesen, aber „ExRotaprint“ sah sich auf dem Weg zu einer Einigung mit dem Liegenschaftsfonds.

Was der Verein nicht wusste: Es gab bereits die Pläne mit dem Grundstückspaket. „Davon wurden wir überrascht“, sagt Les Schließer. Für das Immobilienbündel konnten die Künstler schließlich nicht mitbieten. Der Lifo wollte sich dazu nicht äußern.

Die Hoffnung haben die Mieter aber nicht aufgegeben. Mit der auf soziale Projekte spezialisierten GLS Bank habe man mittlerweile ein neues Finanzierungskonzept erarbeitet. Außerdem kommt eine Machbarkeitsstudie des Experten für Stadtentwicklung, Rainer Giedat, zu dem Ergebnis, dass eine Lösung mit den vorhandenen Mietern am besten wäre. „Eine große Lösung wie ein Shopping-Center oder Ähnliches ist dort nicht machbar, sondern nur ein kleinteiliger Nutzungsmix mit niedrigen Mieten wäre erfolgversprechend“, sagt Giedat. Mit seiner Studie hat er jüngst den „Möbel-Hübner“-Architekturpreis gewonnen. Vielleicht wären diese Pläne ja sogar für einen Investor interessant.

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