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Berlin: Ein Toast auf alles, was war

US-Botschafter übergab Berlin das Amerika Haus

Im großen Lesesaal des Amerika Hauses sieht man nur noch Teppichboden, teils etwas aufgerissen. Lange war dies der einzige Ort in Berlin, wo man die New York Times bekommen konnte und vieles von dem, was man über die USA wissen sollte. Seit gestern steht das Haus an der Hardenbergstraße leer.

Wehmut. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ließ sie sich anmerken in der kurzen Zeremonie zur Rückgabe des Amerika Hauses. Es sei nicht nur ein schöner Moment: „Dagegen steht die Erinnerung.“ Er war besonders gern an den US-Wahlabenden hier. Viele Berliner verbinden Erinnerungen mit dem Haus. Zum ersten Mal Hemingway lesen oder John Steinbeck: Nach der Befreiung des Landes von der Nazi-Herrschaft im Jahr 1945 folgte die Befreiung des Geistes. Seit 1946 stellten US-Soldaten ihre Bücher den Berlinern zur Verfügung, seit 1957 war die Bibliothek an dieser Stelle untergebracht. Botschafter William Timken erinnerte daran, wie das Haus ein feierliches Symbol für das Bekenntnis seines Landes zu einem freien Berlin wurde. Am Ende sprach er einen Toast auf alles, was bisher hier war und in Zukunft sein wird.

Darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Klaus Wowereit sagte, es wäre fatal, „wenn dieses Haus einfach der Immobilienverwertung anheimfallen würde“. Heinz-Gerd Reese vom Freundeskreis des Amerika Hauses hofft, dass dort ein Zentrum für deutsch-amerikanische Freundschaft entsteht. Da man erst seit April von der vorzeitigen Rückgabe wisse, sei aber noch nicht genug Zeit für Sondierungsgespräche gewesen. Ursprünglich sollte das Haus erst mit der Eröffnung der neuen US-Botschaft zurückgegeben werden. Die tief ins Erdreich gehenden Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück stellten aber zunehmend ein Sicherheitsrisiko dar.

William Timken übergab einen Scheck in Höhe von 10 000 Euro an Claudia Lux, die Generaldirektorin der Zentral- und Landesbibliothek. Das Geld soll dazu verwendet werden, die übernommenen Bestände aus dem Amerika Haus zu digitalisieren. Die zuletzt an der Hardenbergstraße tätigen Beschäftigten ziehen bis zur Eröffnung der Botschaft in die Clayallee. An der Abschiedszeremonie nahmen ehemalige Mitarbeiter teil, aber auch der frühere US-Botschafter John Kornblum, der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, der letzte Leiter des Hauses, Peter R. Claussen, sowie die Chefs der American Academy und des Alliierten Museums, Gary Smith und Helmut Trotnow. Unabhängig voneinander sagten beide, dass die Aktivitäten in diesem Haus nun Geschichte seien, dass hier also ruhig etwas Neues beginnen könne.

Helmut Trotnow erinnerte an die Geschichte von den ehemaligen DDR-Bürgern, die ihre kurz vorm Mauerbau im Amerika Haus ausgeliehenen Bücher 28 Jahre später unmittelbar nach dem Fall der Mauer zurückbrachten. Nichts zeige so anrührend, wie tiefgreifend und erfolgreich die Arbeit war.

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