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Heilige Halle. Die Diebe entwendeten Objekte, die gar nicht der Gemeinde gehören, sondern Leihgaben des Hauses Hohenzollern sind. Einen Wachschutz gibt es nicht – zu teuer, sagt Pfarrer Martin Germer und verweist auf kostenintensive Sanierungen.

© Mike Wolff

Einbruch in die Berliner Gedächniskirche: Der Sündenfall

Unbekannte haben Geld, Orden, Münzen und eine Medaille aus der Gedächtniskirche gestohlen. Wie gut sind Berlins Gotteshäuser geschützt?

Risse im Glas einer Vitrine zeugten am Dienstag noch von einem Einbruch in die Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Charlottenburger Breitscheidplatz. Ein paar aus der Vitrine gestohlene Exponate wurden allerdings schon durch andere ersetzt, den meisten Besuchern aus aller Welt dürfte der Schaden also gar nicht auffallen. Unbekannte waren in der Nacht zu Montag in den Ausstellungssaal unten in der alten Turmruine gelangt.

Dort erinnert die evangelische Gemeinde an das Grauen des Zweiten Weltkriegs, an die weitgehende Zerstörung der Kirche durch Bombentreffer sowie an die Entstehung des heutigen Baudenkmals und Berliner Wahrzeichens. Das hatte Kaiser Wilhelm II. einst zum Gedenken an seinen Großvater Kaiser Wilhelm I. errichten lassen.

Kaum Beute, die Opferstöcke wurden geleert

Der Küster der Kirche bemerkte den Einbruch am Montagmorgen und alarmierte die Polizei. Aus zwei Opferstöcken – Behältern für Spenden – erbeuteten die Einbrecher Bargeld. Aus einer Vitrine verschwanden zwei Orden, ein Jubiläumsabzeichen, eine Medaille und ein paar Silbermünzen. Dagegen soll eine ebenfalls aufgebrochene Kasse leer gewesen sein.

Pfarrer Martin Germer sagte, die Einbrecher könnten kaum Geld erbeutet haben, da man auch die Opferstöcke am Tag zuvor geleert habe. Den Wert der gestohlenen Exponate konnte der Pfarrer nicht abschätzen. Die Stücke gehören nicht der Gemeinde, sondern waren Leihgaben des Hauses Hohenzollern. Einen Wachschutz hat die Kirche nicht. Laut Germer wäre dies nicht bezahlbar, die Gemeinde müsse schließlich viel Geld in die ständigen Sanierungen der Kirchenbauten investieren.

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Als Reaktion auf den Einbruch werde man die Türen sicherlich verstärken, sagte der Pfarrer. Außerdem sei eine „zusätzliche Alarmanlage“ denkbar. Die Frage, ob es bereits eine Alarmanlage gibt, wollte Germer nicht beantworten. Am Eingang der Gedenkhalle weisen Schilder auf eine Videoüberwachung hin. Tatsächlich zeichnet die Kamera an der Decke aber keine Bilder auf, sondern dient nur dazu, die Zahl der Besucher festzustellen.

Laut Germer ist die Gedenkhalle gebäudetechnisch noch auf dem Stand des Jahres 1987. Damals war die Ausstellung im Rahmen der 750-Jahr-Feier Berlins eröffnet worden. Eines der bekanntesten Exponate ist das Nagelkreuz von Coventry – ein Symbol der ökumenischen Nagelkreuzbewegung, das an die fast vollständige Zerstörung der Kathedrale im englischen Coventry durch die deutsche Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg gemahnt. Das Nagelkreuz hat einen hohen ideellen Wert, aber so gut wie keinen materiellen Die Einbrecher tasteten es nicht an.

Polizei vermutet keine organisierte Kriminalität

Auf dem Breitscheidplatz im Herzen der Berliner City West könnten die Täter von Überwachungskameras gefilmt worden sein. Noch gibt es dazu keine Erkenntnisse. Aber in den Untersuchungen nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 war beispielsweise ein Video bekannt geworden, das aus einer Kamera auf dem Bikini-Haus an der Budapester Straße stammte.

Bisher sieht die Polizei keine Anzeichen für organisierte Kriminalität oder Ähnlichkeiten zum Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden. Dort waren Unbekannte im November in das Schatzkammermuseum eingedrungen und hatten wertvolle Juwelen gestohlen.

Spuren der Nacht. An den Vitrinen waren am Dienstag Risse deutlich erkennbar.
Spuren der Nacht. An den Vitrinen waren am Dienstag Risse deutlich erkennbar.

© Maike Wolff

Wie viele Einbrüche beziehungsweise Diebstähle in Kirchen und Kapellen es zuletzt in Berlin gab, wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht gesondert aufgeführt. Auch die evangelische Landeskirche und das Bistum Berlin führen keine Statistiken. Allerdings werden Einnahmen aus sonntäglichen Kollekten in der Regel noch am selben Tag an sichere Orte gebracht.

Einbrüche machen Mühe und Ärger

Außerdem bleiben viele Kirchen außerhalb der Gottesdienste geschlossen oder öffnen nur, wenn Aufsichtspersonal anwesend ist. Es gebe kaum Gegenstände mit hohem Wert, sagt die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit in der evangelischen Landeskirche, Amet Bick. In Lichtenberg wurden im vorigen Jahr jedoch ein Altarkreuz und eine Musikanlage aus einer Friedhofskapelle entwendet.

Im Bistum Berlin erinnert man sich an den Diebstahl zweier Monstranzen während eines Gottesdienstes in Prenzlauer Berg im Februar 2019. Hinzu kamen Einbrüche in drei weitere „Kirchen beziehungsweise Nebengebäude“ und in eine Kita. „Kirchen, aber auch Schulen, Kitas und Pfarrbüros sind gegen Diebstahl gesichert“, sagt Bistumssprecher Stefan Förner. „Einbrüche machen vor allem viel Mühe und Ärger.“

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