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Eine der Fridays-for-Future-Demos in Berlin (hier am 29. November 2019): Dass das Thema Nachhaltigkeit immer breitere Gruppen der Gesellschaft erreicht begünstigt Projekte wie die alternative Währung "Fairo".

© imago images/Christian Spicker

Nachhaltige Währung aus Berlin: Eine Stunde Gitarrenunterricht kostet 45 "Fairo"

Drei Berliner haben die Community-Währung "Fairo" erfunden. Sie soll ökonomisch und sozial nachhaltig sein. Wie funktioniert das?

Kein anderes Thema hat das Jahr 2019 so stark geprägt wie der Klimawandel. Es fing mit den Fridays-for-Future-Demonstrationen an, Greta Thunbergs „Wie könnt ihr es wagen?“-Rede ging viral, und jüngst rief das Europaparlament den Klimanotstand aus.

Auch das Konsumverhalten scheint einen Wendepunkt erreicht zu haben: Viele Menschen legen vegane Tage ein, fahren mehr Rad. Stoffbeutel anstelle von Plastiktüten gehören für viele zur Selbstverständlichkeit. Doch die wenigsten hinterfragen das, womit sie das alles bezahlen: ihr Geld. Dabei könnte es eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um nachhaltigen Konsum geht.

„Fairo“ ist eine Community-Währung, deren Erfinder behaupten, dass sie ökonomisch und sozial nachhaltig sei. Erstellt man ein Konto auf der Website, wird man automatisch Mitglied der Fairo-Gemeinschaft –und bietet ein Produkt oder eine Dienstleistung auf der Online-Plattform an. Sobald das erste Angebot auf dem digitalen „Marktplatz“ online geht, wird ein Begrüßungsgeld von 50 Fairo auf dem eigenen digitalen Konto gutgeschrieben und der Handel kann starten. Angebote reichen von 45-minütigem Gitarrenunterricht (45 Fairo) bis hin zu persischem Safran (10 Fairo).

Der Berliner Leopold Wonneberger ist einer der Erfinder von „Fairo“, den es seit 2016 gibt. Der 42-Jährige erklärt, was für ein alternatives Zahlungsmittel spricht: „Im Normalfall müssen diejenigen, die sich ethisch verhalten wollen, draufzahlen. Es braucht Mechanismen, die das soziale und ökologische Wirtschaften so unterstützen, dass es im Endpreis sich gleich ausdrückt.“

Die Idee einer alternativen Währung ist nicht neu. Der deutsche Finanztheoretiker Silvio Gesell plädierte schon 1914 für eine Idee, die man heute unter dem Begriff Negativzins kennt. Das Geld verliert an Wert, wenn es über eine bestimmte Zeit hinweg nicht benutzt wird. So kann keine Spekulationsblase erzeugt werden, die in der Geschichte mehrmals zu Finanzkrisen führte.

Die Schöpfer betreiben das Projekt im Ehrenamt

Auch der Fairo ist ein sogenanntes Schwundgeld. So wird monatlich von jedem Konto ein Prozent des Guthabens abgezogen, damit das Geld ständig im Umlauf bleibt. Das Geld wird dann gleichmäßig pro Kopf als eine Art Grundeinkommen wieder umverteilt. Mit dieser Währung kann man die Kontrolle über sein Konsumverhalten behalten. Außerdem kann eine Spekulationsblase durch Zins und Zinseszins verhindert werden.

Wonneberger wirkt ruhig und entspannt, in der Café-Bar „Herman Schulz“ in Friedrichshain, wo es auch den monatlichen Stammtisch gibt . Er ist Werbeverkäufer und betreibt die Währung Fairo mit seinem Team aus drei Leuten ehrenamtlich. Das Bewusstsein, dass ökologische Fragen gleichzeitig auch ökonomische seien, sei in der Umweltbewegung gewachsen, sagt Wonneberger. Auch den jungen Fridays-for-Future-Aktivisten sei bewusst, wie wichtig diese Wirtschaftsfrage ist.

Mögliche Währungshüter. Der Berliner Diplom-Volkswirt Leopold Wonneberger (42) ist einer der Köpfe hinter dem "Fairo"-Konzept.
Mögliche Währungshüter. Der Berliner Diplom-Volkswirt Leopold Wonneberger (42) ist einer der Köpfe hinter dem "Fairo"-Konzept.

© Christian Spicker/imago

Als Mitglied der Umweltorganisation Greenpeace geht Wonneberger gelegentlich auf Demonstrationen. Doch das genüge nicht, um eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Die Wirtschaft müsse sich auch ändern. Und das Rückgrat der Wirtschaft sei das Geldsystem. „Auch da müssen Nachhaltigkeitskriterien eingebaut werden. Sonst wird alles andere nur Stückwerk bleiben. Denn, wenn ein Unternehmen unter Wettbewerbsdruck steht, ist es gezwungen, auch nicht nachhaltige Entscheidungen zu treffen, selbst wenn das Management es wünschenswert finden würde.“

Alternative Währungen wurden immer mal wieder in den vergangenen Jahren diskutiert. Der Bitcoin ist ein Beispiel von vielen. Beim ersten Handel entsprachen 10.000 Bitcoins zwei Pizzen, heute entspricht ein Bitcoin dem Wert von etwa 6600 Euro. Auch wenn der Bitcoin meist nur zu Spekulationszwecken benutzt wird, spiegelt seine Entwicklung das Interesse der Öffentlichkeit an neuen Zahlungsmitteln wieder.

Zentralbanken wollen Kontrolle übers Geld nicht hergeben

Auch Facebook will mit „Libra“ ein alternatives Geldsystem schaffen. Wonneberger hält sie für ein Projekt von oben, das nur Daten aufsaugt. Doch der starke Gegenwind von den Zentralbanken sei ein Zeichen dafür, dass – wenn jemand das Geldmonopol infrage stellt – man mit Konsequenzen rechnen müsse. Das wiederum zeigt das Erfolgspotenzial einer Gemeinschaftswährung.

Im Moment ist der Fairo noch in der Startphase. Es sei schwer, eine große Menge Menschen zusammenzubekommen, vor allem wenn keine akute Krise anstehe. Dabei ist die Gefahr gar nicht unrealistisch. Wie „Spiegel Online“ berichtete, hat jeder dritte Amerikaner, der sich ein neues Auto mit Krediten kauft, seinen alten Wagen nicht abbezahlt. Manche Ökonomen warnen sogar vor einer erneut anrückenden Finanzkrise.

Yu Minobe

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