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Der DHL-Erpresser an einem Bitcoin-Geldautomaten in Friedrichshain.

© LKA Brandenburg

Update

Bombendrohung auf Potsdamer Weihnachtsmarkt: DHL-Erpresser aus Brandenburg muss sich regelmäßig bei der Polizei melden

Dreieinhalb Jahre Ermittlungen, nun hat sich der DHL-Erpresser selbst gestellt: Beweismittel wurden sichergestellt, gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen.

Die Ermittler der Brandenburger Polizei wähnten sich bereits vor dem Durchbruch, die Vorbereitungen liefen bereits, um den seit Jahren gesuchten Mann zu fassen. Doch am Mittwochnachmittag hat sich der mutmaßliche Erpresser des Logistikkonzerns DHL und Bombenbauer bei der Staatsanwaltschaft Potsdam gemeldet und selbst gestellt. Der 35 Jahre alte Deutsche hat zehn Erpressungen gestanden. Mehr als drei Jahre war es dem Mann gelungen, trotz einiger hinterlassener Spuren nicht gefunden zu werden.

Der Mann ist inzwischen auf freiem Fuß und muss regelmäßig bei der Polizei erscheinen. "Er hat strenge Meldepflichten bekommen", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann der "Deutschen Presse Agentur" am Freitag. Weitere Details dazu wollte seine Behörde nicht mitteilen. Polizei und Staatsanwaltschaft vermuten, dass sich der Mann aufgrund des großen Fahndungsdrucks gestellt hat.

Den Durchbruch brachte vor einigen Wochen ein Fahndungsfoto von dem Mann, aufgenommen von einem Bitcoin-Geldautomaten in einem Spätkauf in Berlin-Friedrichshain. Jener Mann, der die friedliche Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt im Potsdam im Dezember 2017 zerstörte. Bei der Prüfung der Aussagen des Brandenburgers aus dem Landkreis Havelland hat sich der Verdacht bestätigt. Noch am Mittwoch ist seine Wohnung in Brandenburg durchsucht worden, die Ermittler stellten Beweismittel sicher, darunter Computer, ein Mobiltelefon, eine Sturmhaube, eine Schreckschusswaffe mit Munition und auch eine rote Mund-Nasen-Bedeckung. Offenbar jene Schutzmaske, die auf dem Fahndungsfoto zu sehen war.

Die Ermittler hatten anhand des Fotos, elektronischer Daten und Analysen von Profilern gemeinsam mit den Spezialisten der Berliner Polizei bereits eine Liste mit rund hundert möglichen Tatverdächtigen erstellt. Der Mann soll wegen kleinerer Delikte bereits polizeibekannt sein. Mehr als 60 Personen, die auf der Liste standen, waren bereits überprüft worden. Der DHL-Erpresser stand auf Platz 76. „In wenigen Wochen hätten wir ihn ohnehin gefasst“, sagte ein Ermittler dem Tagesspiegel.

Es ging um Paketbomben, Menschen hätten schwer verletzt oder getötet werden können. In allen Fällen in Berlin und Brandenburg ist zum Glück nichts passiert. Der Täter selbst nannte sich in seinen digitalen Erpresserschreiben „Omar“ oder „One Man Army Rebel“. Er hatte vom Postdienstleister DHL Millionensummen gefordert und damit gedroht, Menschenleben auszulöschen.

Insgesamt vier Paketbomben gehen auf das Konto von „Omar“. Die Staatsanwaltschaft stellte beim Amtsgericht Potsdam einen Haftbefehl wegen der versuchten räuberischen Erpressung in zehn Fällen, davon in vier Fällen zugleich wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Wegen der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten und weil er sich den Ermittlungsbehörden selbst gestellt hat, setzt der Ermittlungsrichter den Haftbefehl unter strengen Auflagen außer Vollzug.

Der Potsdamer Leitende Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann sprach von einem großen Erfolg für die Behörden und für die Sicherheit der Menschen in der Region. „Letztendlich gelang es durch akribische Ermittlungsarbeit hartnäckiger Kriminalisten, öffentlichen Fahndungsdruck und die ausgezeichnete Zusammenarbeit der beteiligten Behörden diesen Fall zu lösen“, sagte Lehmann.

Bei einer Explosion hätten Menschen schwer verletzt oder sogar getötet werden können

Anfang November 2017 hatte der Erpresser Paketbomben an einen Online-Versandhändler in Frankfurt (Oder) verschickt, die mit batteriebetriebenem Zünder, einer mit Nägeln bestückten Metalldose sowie Polenböllern ausgestattet war. Doch das Paket ging in Flammen auf. Bei einer Explosion hätten Menschen schwer verletzt oder sogar getötet werden können. Erst später konnte diese Tat zugeordnet werden.

Denn bereits zwei Monate zuvor, im September 2017, hatte es Hinweise auf den Erpresser gegeben. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte per E-Mail ein Drohschreiben bekommen. Der Verfasser forderte Geld in der Internetwährung Bitcoin und drohte mit Paketbomben. Die Polizei in Bonn, Hauptsitz von DHL, übernahm den Fall, zunächst erfolglos. Als das Paket in Frankfurt (Oder) verpuffte, dachte offenbar niemand an das Drohschreiben. Denn in dem Paket war eine zentrale Spur zerstört worden – nämlich der Weg zum Erpresserschreiben.

Worum es ging, wurde erst am 1. Dezember 2017 klar. In einer Apotheke am Rande des Potsdamer Weihnachtsmarkts wurde eine Paketbombe entdeckt. Der Weihnachtsmarkt in der Innenstadt musste geräumt werden. Beim Öffnen des Pakets hatte der Apotheker Drähte entdeckt. Die Zündvorrichtung funktionierte nicht. Die Ermittler fanden einen Böller, Batterien und Nägel – und sie konnten einen QR-Code rekonstruierten, der zu einem elektronischen Erpresserschreiben führte. Der Erpresser forderte von DHL die Überweisung einer Millionensumme in der Kryptowährung Bitcoin.

In jedem Päckchen verdächtige Drähte

Im Januar 2018 wurde ein ähnliches Päckchen in einer Bank an der Schlossstraße in Berlin-Steglitz gefunden, zwei Monate später eines in der Berliner Handwerkskammer in Kreuzberg. Im Januar war ein ähnliches Päckchen mit Schwarzpulver und Zündvorrichtung in einer Bank an der Schlossstraße in Berlin-Steglitz gefunden worden. Jedes Mal entdeckten Mitarbeiter verdächtige Drähte.

Die Polizei glaubte mehrfach, dem Mann dicht auf den Fersen zu sein – doch dann haben sich die Spuren wieder verloren. Es stellte sich heraus, dass der Täter überaus geschickt vorging, die Ermittler mussten auf Cyberspezialisten zurückgreifen, mehr als 350 Beamte, darunter Ermittler, Kriminaltechniker und Spezialkräfte waren mit dem Fall betraut. Mehr als 1.000 Spuren und Hinweise wurden ausgewertet.

Die Polizei glaubte mehrfach, dem Mann dicht auf den Fersen zu sein – doch dann haben sich die Spuren wieder verloren. Das Landeskriminalamt ermittelt nun seit fast dreieinhalb Jahren wegen des Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion sowie der schweren räuberischen Erpressung.

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Es stellte sich heraus, dass der Täter überaus geschickt vorging, die Ermittler mussten auf Cyberspezialisten zurückgreifen. Der Täter hatte im April 2018 mehrere Drohschreiben per Email verschickt, jedes Mal aus öffentlichen W-Lan-Netzen aus östlichen Bezirken in Berlin. Aus dem Emails konnten die Ermittler die spezifische Kennung des Gerätes herauslesen, mit dem die Emails verschickt wurden. Jedes Gerät, ob Computer oder Mobiltelefon, verfügt über eine solche Adresse für die Netzwerkschnittstelle. Anhand der Kombination aus Zahlen und Buchstaben ist jedes Gerät identifizierbar.

Ermittler scheiterten an der Vorratsdatenspeicherung

Eine weitere Spur verlor sich in einem Hotel in Friedrichshain. Die Ermittler haben herausgefunden, dass sich der Täter in ein offenes W-Lan-Netz eines Hotels eingeloggt hatte. Doch der Internetanbieter konnte keine Daten herausgeben – sie waren gelöscht. Gesetzlich ist ein Frist von vier Wochen vorgesehen. Die Ermittler scheiterten an den Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung.

Am 23. April veröffentlichte die Polizei nun erstmals ein Foto, dass den Verdächtigen zeigt. Mit Corona-Schutzmaske war er am 22. Oktober abends in einem Spätkauf in Friedrichshain. Das geschickte Versteckspiel war vorbei, er hatte zu viele Spuren hinterlassen.

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