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Berlin: Ernst Fontheim überlebte im Untergrund und legt jetzt im Centrum Judaicum Zeugnis ab

"Ich hatte das Glück, zum richtigen Zeitpunkt geboren zu werden." Ernest G.

"Ich hatte das Glück, zum richtigen Zeitpunkt geboren zu werden." Ernest G. Fontheim sagt dies noch als letzten Satz, bevor er zu seinem Hotelzimmer hochfährt. Als Ernst Günter Fontheim 1922 in Berlin geboren, sei er 1941/42 alt genug gewesen, um nach der Deportation der Eltern allein für sich zu sorgen. Und jung genug, um die Entbehrungen und den enormen Stress als Illegaler zu überstehen, als "U-Boot", wie sich die Untergetauchten nannten. Jetzt ist Fontheim, der 1947 in die USA emigrierte, als Zeitzeuge zurückgekommen. Er ist einer der Überlebenden, die in der Ausstellung "Juden in Berlin 1938-1945" Zeugnis ablegen.

Der Ausstellung, die heute im Centrum Judaicum eröffnet (siehe Kasten), lieh Fontheim seinen Zwangsarbeiter-Ausweis, seinen gefälschten Werksausweis als vom Militärdienst befreiter "arischer" Techniker bei den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken - und seine Stimme. In zweijähriger Arbeit haben die Ausstellungsmacher sechs Dokumentarfilme über Themen wie Emigration, Deportationen und jüdische "Greifer", die von der Gestapo gedungenen Spitzel, gedreht.

Fontheim war ein hellwacher junger Mann, aufgewachsen im Nationalsozialismus und frei von "Illusionen", die sich viele deutsche Juden bis zum letzten Moment machten. Seinem Vater, der seit 1938 vom Berufsverbot für jüdische Rechtsanwälte betroffen war, riet er 1942, in den Untergrund zu gehen. "Das kann ich nicht", sagte der. Sein Leben lang habe er für das Recht gekämpft. Wie ein Verbrecher mit gefälschtem Ausweis unterzutauchen, sei für ihn undenkbar. Am 24. Dezember 1942 wurden Ernst Fontheims Vater, Mutter und seine jüngere Schwester abgeholt und deportiert.

Der 20-jährige Ernst war als Zwangsarbeiter bei Siemens eingesetzt. Als er im Januar 1943 trotz des Arbeitskräftemangels eine nichtjüdische Polin an seiner Nietmaschine anlernen sollte, ging er in die Illegalität. Wenige Wochen später wurden bei der Fabrik-Aktion alle jüdischen Zwangsarbeiter inhaftiert. Gemeinsam mit seiner späteren Frau Margot Hass und deren Eltern kam Fontheim in einer Laubenkolonie in Senzig, einem Dorf bei Königs Wusterhausen, unter.

Die Laube, in der sich die vier Gejagten bis zum März 1945 versteckten, gehörte Frieda Kunze, bis 1938 Bürovorsteherin bei seinem Vater. "Frau Kunze hat einfach gesagt, sie könne es nicht mit ansehen, dass auch mich das Schicksal meiner Familie ereilen soll." Die "U-Boot"-Taktik der kleinen Gemeinschaft ging über zwei Jahre lang gut: Offiziell waren sie "die Hesses", die vor den Luftangrifften in Berlin geflohen waren, sich in Senzig aber nicht meldeten, um die Wohnung nicht zu verlieren. In dieser Hinsicht seien die meisten Nachbarn in der Laubenkolonie "illegal" gewesen. Morgens um sechs fuhr Ernst Fontheim mit den anderen Männern im Postbus "zur Arbeit". Unterwegs verabschiedete er sich - zu heimlichen Einkäufen nach Berlin. Oder er verkroch sich tagsüber in der Laube und tauchte "nach Dienstschluss" wieder auf.

Auf den Straßen Berlins mussten die Illegalen nicht nur die Gestapo fürchten. Am schlimmsten, sagt Fontheim, waren die "Greifer". Um sich und ihre Familien vor der Deportation zu retten, verrieten sie Illegale. Die berüchtigste Greiferin, Stella Goldschlag, hatte Fontheim bei Siemens kennengelernt, wo sie als Zwangsarbeiterin eingeschleust wurde. Einmal glaubte er, sie in der Pfalzburger Straße entdeckt zu haben und floh in ein Gemüsegeschäft. "Ich war ständig angespannt und auf der Hut", erinnert sich Ernest Fontheim.

Zum Verhängnis wurde den Laubenbewohnern aber beinahe ein "alter Nazi". Ein Rentner aus der Nachbarschaft fand heraus, dass "der junge Hesse" manchmal tagsüber zu Hause blieb und begann laut darüber nachzudenken, ob der nun "Jude oder Spion" sei. Andere Nachbarn, die Drossels, sprangen ein: Sie überließen ihren Freunden ein Zimmer in Tempelhof. Dort erlebte Ernst Fontheim die Befreiung. Vor wenigen Tagen wurden Frieda Kunze und Familie Drossel von Israel als "Gerechte der Völker" geehrt. "Diese Menschen habe nicht nur Juden gerettet, sondern auch Deutschland", sagt Ernest G. Fontheim.

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