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Grün auf Grün. Spitzenkandidatin Renate Künast und die Berliner Parteichefin Bettina Jarasch stellten am Sonnabend auf dem Bayerischen Platz eines ihrer Plakate vor.

© dpa

Bundestagswahlkampf in Berlin: Erst an die Laterne, dann ins Museum

Seit Sonntag dürfen die Parteien mit Plakaten zur Bundestagswahl für sich werben. Der Kampf um die besten Plätze und stärksten Motive ist eröffnet. Und das Zeughaus freut sich über Nachschub für seine Sammlung.

Der politische Gegner wird als gefährliches Ungeheuer dargestellt, die Parolen sind aggressiv, fast jeder Satz endet mit Ausrufezeichen. Im Zeughaus Unter den Linden bekommt man passend zum heute anlaufenden Plakatwahlkampf zur Bundestagswahl 2013 eine Ahnung davon, wie deftig es einst zu Zeiten der Weimarer Republik und während des Kalten Krieges im Wahlkampf zuging.  Die Dauerschau des Deutschen Historischen Museums zeigt das Auf und Ab der deutschen Geschichte unter anderem anhand der sich wandelnden Wahlkampfkultur. In sieben Wochen landen hier auch zahlreiche Plakate, mit denen die Parteien von diesem Sonntag an für die Bundestagswahl am 22. September werben.

Das Deutsche Historische Museum hat schon einen Satz der Plakate bestellt

Neben den kunstvoll gemalten und gezeichneten Postern aus der Frühzeit der deutschen Demokratie gibt es in der 6200 Stücke umfassenden Plakatsammlung des Zeughauses kuriose Fundstücke aus jüngerer Zeit. So das legendäre Plakat der Grünen mit dem Slogan „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“, mit dem sie 1990 nach dem Mauerfall für sich warben – und politisch baden gingen. Erfolgreicher war da eine Provokation des einstigen Berliner Jugendsenators Thomas Krüger (SPD): Der zeigte sich 1994 nackt und mit dem Slogan „Eine ehrliche Haut“ – und gewann einen Sitz im Bundestag. Heute ist er Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Dass viel Haut nicht immer hilft, musste 2009 die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld erleben. Sie warb in Friedrichshain-Kreuzberg mit den tiefen Dekolletés von Angela Merkel und sich selbst, dazu der Spruch „Wir haben mehr zu bieten“ – und erzielte bundesweit das schlechteste Ergebnis aller CDU-Direktkandidaten.

Bevor die Poster des Jahrgangs 2013 neben derartigen Klassikern im Deutschen Historischen Museum landen, hängen sie in den kommenden sieben Wochen zu Zehntausenden quer durch die Stadt – wenn auch mit deutlichen Einschränkungen gegenüber den Vorjahren. Die Bezirke legen dieses Jahr strengere Regeln an, weil sie das Stadtbild vor dem Wahlkampf-Overkill schützen wollen. Vor allem als politisch oder ästhetisch sensibel eingestufte Orte wie das Jüdische Museum in Kreuzberg oder der Savignyplatz in Charlottenburg, die Altstadt von Köpenick oder das Areal rund ums Brandenburger Tor sind mit einem Plakatierverbot belegt.

„Gas geben“ vor dem Jüdischen Museum

Die Einschränkungen sind auch eine Folge des Abgeordnetenhauswahlkampfes 2011. Da hatte die rechtsextremistische NPD unter anderem vor dem Jüdischen Museum Plakate mit dem Slogan „Gas geben“ aufgehängt, was entsetzte Reaktionen provozierte. Verboten werden konnte das damals nicht. Da Bezirke nicht selektiv einzelne Plakate verbannen können, wurde also dieses Jahr festgelegt, dass vor dem Jüdischen Museum generell keine Wahlplakate erlaubt sind, wie auch an anderen historisch relevanten Orten wie dem Bayerischen Viertel in Schöneberg, wo Gedenktafeln an den Massenmord an den europäischen Juden erinnern.

Eine weitere Neuerung sind die Kautionszahlungen, die manche Bezirke von den Parteien verlangen. Sie wollen sichergehen, dass die Plakate bis eine Woche nach der Wahl auch wieder abgenommen werden – ansonsten wird von dem Pfand eine Firma bezahlt, die die letzten Wahlspuren beseitigt. Während manche Bezirke wie Tempelhof-Schöneberg, Spandau und Neukölln pauschal von allen Parteien Kautionen in drei- bis vierstelliger Höhe verlangen, gilt dies in Charlottenburg-Wilmersdorf nur für die NPD, die in vergangenen Jahren oft besonders nachlässig mit dem Abhängen war, wie Ordnungsstadtrat Marc Schulte (SPD) sagt.

„Das wird ein heißer Wahlkampf.“

Die Parteien tragen es mit Fassung, finden die Situation aber noch verbesserungsbedürftig, wie Daniel Wesener sagt, Landesvorsitzender der Grünen. „Da ist eine berlinweite Regelung nötig, die für alle Bezirke gleich gilt“, sagt er. Außerdem warnt er davor, dass eine Pfandzahlung kleinere Parteien vom Wahlkampf ausschließen könnte.

Kalter Krieg. Das CDU-Plakat von 1953 ist typisch für den Stil jener Zeit.

©  CDU/KAS

Hunderte ehrenamtliche Wahlhelfer werden an diesem Wochenende ausströmen, um die strategisch besten Orte für ihre Plakate zu finden. Manche preschten in den vergangenen Tagen schon vor – und riskierten Bußgelder. So waren am Freitag die ersten Plakate der Linkspartei an Laternenmasten in Westend aufgetaucht. Und aus Steglitz-Zehlendorf gab es Berichte über voreilige Plakataufhänger der CDU. Die meisten Wahlhelfer wollten jedoch ganz legal in der Nacht zu Sonntag loslegen. „Da wird um die besten Plätze gerangelt“, sagte SPD-Sprecherin Josephine Steffen voraus. Ihre Parteifreunde wollen 35 000 Plakate in der Stadt aufhängen, bei der CDU sind es laut Geschäftsführer Dirk Reitze ähnlich viele, bei den kleineren Parteien weniger. Die Grünen, die mit Spitzenkandidatin Renate Künast am Sonnabend ein Plakat zum Thema Wohnungspolitik vorstellten, wollen stadtweit rund 20000 Plakate aufhängen. Dass es ausgerechnet am Plakatierwochenende hochsommerlich warm ist, wertete Künast als gutes Omen: „Das wird ein heißer Wahlkampf.“

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