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Ein Obdachloser liegt in Berlin in einen Schlafsack gehüllt unter einem Dachvorsprung vor dem Zoo. (Symbolfoto)

© picture alliance / dpa/Paul Zinken

Erste Zwischenbilanz: Kältehilfe-Notübernachtungen in Berlin bereits zu 90 Prozent belegt

Noch sei die Auslastung nicht kritisch, aber im Januar und Februar könne es anders aussehen, heißt es von den Wohlfahrtverbänden. Sie fordern eine Professionalisierung des Systems.

Seit dem Beginn der Kältehilfesaison im Oktober sind die in Berlin zur Verfügung gestellten Notübernachtungsunterkünfte für Obdachlose im Schnitt bereits um 90 Prozent belegt gewesen. Parallel zur Aufstockung der Plätze Anfang November ist auch die Anzahl der Menschen, die das Angebot wahrnehmen, gestiegen. Das geht aus Zahlen hervor, die die Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe veröffentlicht hat. Für viele Menschen ist das Hilfsangebot die einzige Möglichkeit, in kalten Nächten einen warmen Schlafplatz zu finden.

In der Woche vom 13. bis 19. November nahmen im Schnitt 974 Gäste pro Nacht das Angebot der Kältehilfe wahr. Zur Verfügung standen 1082 Plätze. Für die vergangene Woche liegen noch keine aktuellen Zahlen vor. Im Oktober kamen auf 657 Übernachtungsplätze pro Nacht im Schnitt 598 Gäste. „Unser Motto lautet auch in dieser Kältehilfe-Saison: Jeder obdachlose Mensch, der ein Bett braucht, bekommt auch eins“, sagte ein Sprecher der Sozialverwaltung.

Eine Auswertung der Zahlen aus dem ersten Kältehilfemonat der Saison ergab, dass die Auslastung der 141 ausschließlich für Frauen vorgesehenen Plätze noch höher war als bei den restlichen Plätzen, die durchschnittliche Belegung lag hier bei 97 Prozent. Das Kältehilfetelefon, das die Platzauslastung im Blick hat, führte zwischen dem 1. Oktober und dem 23. November 1620 Telefongespräche. Der Kältebus, der Menschen ohne Obdach aufsucht, versorgt und gegebenenfalls zu einer Unterkunft bringt, wurde im gleichen Zeitraum 591 Mal gerufen.

Ehrenamtler versorgen pflegebedürftige Wohnungslose

Andrea Asch, Vorständin der Diakonie Berlin und in dieser Funktion aktuell auch Vorsitzende der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin, spricht von einem jährlich steigenden Bedarf an Kältehilfeplätzen. „Dem gegenüber besteht weiterhin ein akuter Mangel an dauerhaft geeigneten und gesicherten Räumlichkeiten.“ Ein großes Problem sei auch, dass die Kältehilfe von vielen Ehrenamtlichen getragen werde. Es könne aber nicht sein, dass diese schwer pflegebedürftige Wohnungslose versorgen müssen, sagte sie dem Tagesspiegel. Asch fordert verbindliche Qualitätsstandards und eine Professionalisierung des Systems.

Zwar sei sie froh, dass wenigstens ein paar zusätzliche Plätze geschaffen werden konnten und die Auslastung der Kältehilfeplätze noch nicht kritisch sei. Für die längeren Frostperioden im Januar könne man aber nur hoffen, dass mehr Plätze zur Verfügung stehen. „Ich bitte alle Berlinerinnen und Berliner dringend: Achten Sie auf die auf der Straße lebenden Menschen! In unserer Stadt draußen zu schlafen ist Tag und Nacht lebensgefährlich“, appellierte Asch. Wenn eine Person Hilfe brauche, solle man die Kälte- oder Wärmebusse und im Notfall die Feuerwehr rufen.

Die Berliner Kältehilfe gibt es seit 1989, ins Leben gerufen wurde sie von Wohlfahrtsverbänden, Kirchengemeinden und der Sozialverwaltung. Von Oktober bis März richtet sie sich an Menschen, die auf der Straße leben und einen warmen Ort für die Nacht suchen. Aber auch Suppenküchen, Beratung und medizinische Hilfe werden über die Kältehilfe angeboten. Es gibt keine sicheren Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen in Berlin auf der Straße leben. Schätzungen zufolge sind es mehrere Tausend.

Nach Angaben der Sozialverwaltung wurde für die aktuelle Kältehilfeperiode ein Ampelsystem eingeführt. Über die Kältehilfe-App können demnach Hilfesuchende anhand der Ampel schnell erkennen, welche Notübernachtung aktuell noch verfügbare Schlafplätze hat. Allerdings wenden aktuell nur sieben Notübernachtungen das Ampelsystem an – bei über 30 Übernachtungsstellen. Wie wirksam das Ampelsystem daher wirklich für die Betroffenen sein kann, bleibt offen. Allerdings soll die Funktion nach Angaben der Verwaltung im Laufe der Kältehilfesaison schrittweise aufgebaut werden.

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