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Berlin: Es ist wieder Gründerzeit

In den Messehallen treffen sich an diesem Wochenende die Chefs von morgen

Im Leben eines Malers kommt eine Zeit, da will er nicht mehr Maler sein, sondern Unternehmer. Manfred Fischer aus der Nähe von Gransee in Brandenburg ist jetzt 43 und muss es sich einfach mal beweisen, auch körperlich. Alles an ihm sagt: Ich kann das! Also macht er sich jetzt selbstständig. Wirtschaftskrise, lahme Stimmung, Abwanderung – solche Kassandrarufe prallen an Fischer einfach ab. Jüngst wollte sein alter Chef ihn zurückholen, aber Fischer – kurzärmeliges Hemd, gesunde Gesichtsfarbe, Schlaumeierbrille – hat mental schon längst die Seiten gewechselt. Ab 1. Juli arbeitet er nur noch auf eigene Rechnung.

Es ist Existenzgründermesse am Funkturm, noch bis zum Sonntag. Hier ist der Aufschwung-Ost noch am Leben. Berlin mag im Ranking der Wirtschaftsmetropolen das Kellergeschoss belegen, der Gründergeist ist ungebrochen. Bei Neugründungen liegt die Hauptstadt schon seit Jahren weit vorne. In den Messehallen treffen Einser-Abiturienten im Business-Kostüm auf Freaks, die gerade vom Holzfäller-Camp aus Kanada zurückkommen und jetzt was mit Computer machen wollen. Diese Mischung kann hochexplosiv sein.

Jörg Kathe – Basecap, Jeansjacke, Strubbelbart, Leinenrucksack – will von der netten Brünetten am Stand der Investitionsbank Berlin wissen, woher er die Anschub-Kohle für sein Navigationsportal im Internet kriegt. Er hätte da gleich mehrere „krasse“ Ideen. „Das reicht aber nicht“, sagt die IBB-Frau immer wieder und lächelt verlegen. Erst einmal solle er einen Business-Plan machen. Also geht Kathe schräg rüber zu den gestylten Jungdynamikern vom „Business- Plan-Wettbewerb“ und checkt mal, was so angesagt ist. Jörg Kathe ist jetzt etwas betroffen. So ein Business-Plan, „überhaupt so Sachen zum Lesen“, sind einfach nicht sein Ding. „Ich mach’ nur das, worauf ich Bock habe.“ Filmvorführer war er schon, Bootsbauer – nun wird er eben Unternehmer, natürlich am Standort Berlin. „Hier sind meine Kumpels, hier kenn’ ich mich aus.“

Katharina Lemme, vormals Freiwilliger Polizeidienst, will sich als Privatdetektivin niederlassen, erst einmal ganz klein natürlich, aber in fünf Jahren sollte es schon ein großes Büro mit vielen Mitarbeitern geben. In Berlin natürlich, wo sonst? Evelyn Heller strahlt bis über ihre zwei Zöpfe. Ihre Event-Agentur wird sich demnächst um die Ausstattung von Hochzeiten und Geburtstagen kümmern. „Berlin ist ein guter Standort für ein kleines Unternehmen.“ Auf der Messe will sie sich schlau machen, was eine Unternehmerin so alles braucht. Dann möchte sie ein Buch schreiben – Titel: „Schöner Feierabend“. Und dann geht’s los. Oder Claudia Steffen, 35 Jahre alt, Firmenberaterin. Schon beim Wort „Unternehmerin“ bekommen ihre Augen etwas Magisches. „Das ist fast eine Besessenheit.“ Einen Versandhandel für Sportartikel will sie in Stahnsdorf aufmachen. Die Rahmenbedingungen in der Region seien besser als vor zwei Jahren, findet sie. „Es gibt große Chancen, sich selbstständig zu machen.“

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