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Berlin: Es raucht unterm Schuldach

Nikotin-Verbot ärgert Lehrer – und viele Schüler

Das neue Schuljahr hat begonnen – mit allerlei Aufregung. Vor allem die Diskussion um die Reform der neuen Rechtschreibung macht die Runde und natürlich das Rauchverbot an Schulen. Letzteres verlangt nikotinsüchtigen Schülern und Lehrern einigen Einfallsreichtum ab.

„Wir müssen uns dann wohl irgendwo vom Schulgelände stehlen“, sagt Murat, der auf die Neuköllner Zuckmayer-Oberschule geht. Der Schulleiter, Gerhard Wittkuhns, bestätigt: „Die Raucherecke auf dem Schulhof ist dicht gemacht worden.“ Und fast im selben Moment reicht ihm eine Kollegin, die auf dem Hof Aufsicht hatte, einen Papierbogen herein: Dort festgehalten sind die Personalien eines Schülers, der während der Pause geraucht hat. „Tja, das gibt jetzt eine Verwarnung, da werden die Eltern informiert“, sagt Wittkuhns. Darüber kann seine Kollegin, die Musiklehrerin und „bekennende Raucherin“ Brigitte Hottinger, nur mit dem Kopf schütteln. „Eine Katastrophe“ sei das. „Soll ich jetzt ein Vorbild für die Schüler sein und vor dem Gelände rauchen?“ Bis vor den Ferien gab es für die vier Raucher unter den Lehrern „ein Kabuff, weitab von den Schülern“. Aber es ist ja nicht mehr erlaubt, dort zu rauchen. „Ich werd’ mich im Winter mit meinem Auto vor die Schule stellen und dort rauchen“, sagt die Lehrerin. Wittkuhns erwidert, er verstehe die Wut der Lehrer: „Ich werde keinem Lehrer auf der Toilette oder sonstwo hinterherschnüffeln“, sagt der Schulleiter. Die Verwirrung sei jetzt erst einmal da, „aber es ist ja auch gerade erst der erste Schultag“. Glücklicherweise sei wenigstens die Diskussion um die neue Rechtschreibung nur eine fiktive. „Eine Reform der Reform macht doch keinen Sinn. Man denke nur an die ganzen Schulbücher, die neu angeschafft worden sind.“

Alexander Freier, Landesschülersprecher, hatte gestern den ersten Tag in der 11. Klasse der Kurt-Schwitters-Oberschule in Prenzlauer Berg. Er sieht das ähnlich. „Man sollte nicht die jüngeren Schüler, die von Beginn an die neue Rechtschreibung gelernt haben, wieder umgewöhnen.“ Vom Rauchverbot hat er an seiner neuen Schule nicht viel gesehen. „Da hat sich in der Pause keiner dran gehalten“, sagt er. Obwohl die Schüler die Hausordnung in die Hand gedrückt bekommen haben, „wo dann handschriftlich ergänzt worden war, dass man nicht mehr auf dem Schulgelände rauchen darf“.

Angelina, 17, zündet sich gerade auf dem Heimweg von der Berolina-Realschule in Mitte eine Zigarette an. Das Rauchverbot findet sie „total bescheuert“. Sie werde jetzt in den Pausen das Schulgelände verlassen und ins Café gehen, um sich eine anzuzünden. Sie glaubt aber nicht, dass nun alle heimlich auf den Toiletten rauchen. „Für die muss man sich nämlich extra einen Schlüssel besorgen. Dort zu rauchen wäre zu auffällig.“

Dennis und Timo, beide 14, gehen auf die Sophie-Scholl-Oberschule in Schöneberg. Als Nichtraucher finden sie das Verbot „total okay“. Aber ihre Mitschüler hätten sich dennoch nicht dran gehalten, sondern heimlich „hinter den Säulen auf dem Hof geraucht“. Schulleiter Klaus Brunswicker sagt, „dass es wohl darauf hinauslaufen wird“. Für die 1160 Schüler gibt es etwa zwei Lehrer als „Hofaufsicht“. Das Rauchverbot habe seine Schule „ein wenig überrollt“ : Schließlich war es die Sophie-Scholl-Oberschule, die vor den Ferien schon freiwillig an dem Projekt „Auf dem Weg zur rauchfreien Schule“ teilgenommen hat. „Wir wollten aber langsam und pädagogisch an die Sache herangehen und nicht mit einem Verbot von oben“, sagt Brunswicker. Denn Verbote locken ja wiederum.

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