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David Bowie während der Filmarbeiten zum Musikvideo "Ashes to Ashes", 1980. Fotografie von Brian Duffy.

© Duffy Archive & The David Bowie Archive

Espiners Berlin: Die vielen Bühnen des David Bowie

Nach längerer Abwesenheit ist unser Kolumnist Mark Espiner rechtzeitig zur großen Bowie-Ausstellung zurück in Berlin. Er hatte die Werkschau in London verpasst - und ist begeistert.

März 2013. Wie schon beim Ziggy-Phänomen vor 40 Jahren, war eine Eintrittskarte für die Bowie-Show schlichtweg die Karte, die man in London haben musste. Doch der Ort dafür war dieses Mal nicht die Bühne des Hammersmith Odeon. Es war das ehrwürdige Victoria&Albert Museum, kurz V&A. Bowie in einem Museum? Das hörte sich verkehrt an.

In letzter Zeit war ich zu viel zu oft weg von Berlin, was vielleicht mein langes Schweigen für manche Leser erklärt. Ich war unter anderem als Theaterregisseur an dieser Show beteiligt. Mein Exil in England hatte trotzdem auch seine guten Seiten: ich war pünktlich zur Eröffnung von David Bowies Werkschau in London.

Dann kam die Bowiemania

Es gab noch einen anderen Grund als Bowie, den Musiker selbst, warum ich die Ausstellung sehen wollte. Vielleicht ging es nur mir so, aber ich meinte eine Verlagerung zu mehr theatralischen Ausstellungskonzepten am Museum feststellen zu können (Sound&Furys Theaterstück Kursk, bei dem ich Co-Regisseur war, war ebenfalls vor kurzem Teil einer Ausstellung des V&A). Die Bowie-Show war sicherlich ein medienwirksames Programm. Beruhte das auf dem Einfluss der Deutschen, überlegte ich, ausgehend von Martin Roth, dem aus Stuttgart stammenden neuen Leiter dieser zutiefst englischen Institution? Aber dann kam die Bowiemania. Wirklich jeder wollte eine Eintrittskarte. Es gab Auktionen auf Ebay, lange Warteschlangen, Zeitfenster. Ich verpasste alles. 

Umso glücklicher war ich, als ich erfuhr, dass die Show nach Berlin kommen sollte. Lassen wir mal den ganzen Bowie-in-Berlin-Mythos beiseite. Darüber wurde in letzter Zeit fast zuviel geschrieben (sogar von mir). Sofern Sie nicht im Weltall schwebten, ”in a most a peculiar way“, müssten Sie jetzt die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Starman kennen. ”Strung out in heaven’s high“ auf Kokain in L.A. und dann auf der Erde gelandet, ”hitting an all time low“ in Berlin, wo er die passend benannten Alben Low, Heroes und Lodger schuf – und mithalf, Iggy zu Pop zu machen.  

Während ein ganzer Raum seinen Berliner Jahren gewidmet ist und die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau noch zusätzliche Exponate von Bowies Zeit in dieser Stadt bietet, war es doch ein anderer Aspekt seiner Arbeit, der mir Aufschlüsse über sein Exil lieferte: das Theater. Dies wird sicherlich noch durch die innovative Inszenierung der ”Show“ unterstützt, die eher wie ein Stück der gegenwärtigen, immersiven Theaterkunst als eine Museumsausstellung gestaltet ist. 

Mit Kopfhörern in einer intimen Bowie-Welt

Ich bin überhaupt kein Fan von Audioguides. Normalerweise bevorzuge ich es, einfach die Kunstwerke vor mir zu betrachten und mir dazu meine eigenen Gedanken zu machen. Doch hier wird man durch das Aufsetzen der Kopfhörer in eine andere Welt versetzt, einer intimen Bowie-Welt, in der es sich fast so anfühlt, als würde David selbst mit einem reden. Sennheiser, Sponsor und Unterstützer der Ausstellung, liefert hierfür die maßgeschneiderte Technik. Audio- und Musikausschnitte, die schon fast wie ein Musikstück für die Show funktionieren, werden passend zu den Räumlichkeiten und den Ausstellungsstücken, vor denen man sich gerade befindet, eingespielt. Bewegt man sich weiter, gehen diese nahtlos durch Ein- und Ausblenden ineinander über.  

Diesen Effekt haben die Bühnendesigner von 59 Productions aus London, die für die Inszenierung verantwortlich waren und auch schon an der Gestaltung der hochgelobten Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2012 in London mitgewirkt haben, äußerst spannend umgesetzt. Sound wird mit visuellen Elementen und Kulissen vereint, die manchmal subtil, manchmal offensichtlich immersiv wirken. Am subtilen Ende der Skala findet man eine lebensgroße Videoprojektion von Bowie, wie er gerade Starman bei Top of The Pops, einer BBC Musikshow, singt. Hier kann man nachvollziehen, was eine ganze Generation von Künstlern wie der Choreograf Michael Clark oder Neil Tennant von den Pet Shop Boys in dem Moment gefühlt haben müssen, in dem Bowie geradeaus in die Kamera blickt und singt ”I had to phone someone so I picked on you“, um sich dann um die Schultern seines Gitarristen Mick Ronson zu wickeln, auf provozierend erotische Weise. Subtil, aber intim und völlig den Besucher miteinbeziehend – all dies wird durch das Bühnenbild noch verstärkt.  

Als wäre man mit Bowie auf der Bühne

Ähnlich involvierend, jedoch in einem viel größeren Maßstab, ist das Herzstück der Ausstellung, der 3D-Sound-Raum. Man findet sich umgeben von 6,60 Meter hohen Wänden, komplett mit Videobildschirmen überzogen, von blitzenden Kameras und einem überwältigendem Konzert-Soundtrack. Man ist Teil der riesigen Fangemeinde während eines Auftritts von Bowie beim Glastonbury Festival und hat gleichzeitig das Gefühl, als wäre man zu ihm auf die Bühne hochkatapultiert.

Die Gruppe der Künstler, die diese audiovisuelle Inszenierung geschaffen hat, bringt noch ganz zufällig eine weitere Verbindung zu Berlin mit sich. Gareth Fry, der hier exzellentes Sounddesign liefert, und die Kreativdirektoren von 59 Produktions hatten auch ihre Hände im Spiel bei Katie Mitchells bahnbrechender Arbeit an der Berliner Schaubühne. Sie sind außerdem Teil des Teams, das auch War Horse geschaffen hat, was gerade unter dem Namen ”Gefährten“ in Berlin auf der Bühne zu sehen ist. 

Mark Espiner
Mark Espiner

© Thilo Rückeis

Dieses theatralische Erlebnis verleiht Bowies Theaterarbeit mehr Bedeutung, ist sie doch gleich nach dem offensichtlichen Thema Musik Gegenstand der Ausstellung. Als ich mit Augen und Ohren alles aufnahm, was um mich herum geschah, wurde mir klar, dass Bowies theatralische Vision eher von seiner Musik überschattet wurde. Ich spreche hier nicht über seine Bestrebungen als Bühnen- oder Filmschauspieler, wo er nicht nur ein ”Cracked Actor“, sondern ein schlechter Schauspieler war (Beweis genug dafür liefert ein Video von ihm in Elefant Man). Es geht darum, wie sich Bowie die Theaterkunst zu eigen gemacht hat: Er absolvierte eine Ausbildung zum Pantomimen bei Lindsay Kemp, seine Interpretationen der Lieder Brechts und Weills sowie seine Mitwirkung als Schauspieler in Brechts Baal waren eine Hommage an die beiden deutschen Künstler. Und dann gibt es noch diesen atemberaubenden Auftritt in spektakulären Kostümen zusammen mit dem deutschen Performance-Künstler und Sänger Klaus Nomi in New York. Es ist auch interessant anzumerken, wie viel theatralische Inspiration er aus dem Deutschland der Zwanziger Jahre bezieht. 

All das zusammen hat mich in die Stimmung versetzt, an dem mit der Ausstellung verbundenen Bowie-Theater-Event teilzunehmen, das am 15. Juni im Haus Der Berliner Festspiele stattfindet. Ich werde sicherlich hingehen und nachsehen, was alles geboten wird – auch auf die Gefahr hin, zum inoffiziellen Bowie-Korrespondenten des Tagesspiegels zu werden. Ich werde Sie darüber auf dem Laufenden halten.

Sie können Mark Espiner eine E-Mail an mark@espiner.com schicken oder ihm auf twitter @deutschmarkuk folgen. 

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