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Der Caritas-Hilfsfonds für Familien und jüngere Menschen unterstützt Bedürftige, zum Beispiel wenn nicht genug Geld da ist für die notwendige Operation des Familienhunds.

© Getty Images / Catherine Falls Commercial

Essen, Strom, Gas, Verzweiflung: Caritas-Fonds hilft Berliner Familien und Jüngeren in Not

Ob Kühlschrank defekt oder ungeplante Tierarztkosten – mit einem Hilfsfonds unterstützt die Caritas in Notsituationen. Nun bittet der Tagesspiegel um Spenden.

Von Silvia Passow

Nach der Flucht ins Frauenhaus in die eigene Wohnung ziehen. Der erste Schritt ins neue Leben erfordert Mut und kostet Geld. Kaum ist die Einrichtung finanziell gestemmt, geht Juniors Laptop kaputt. In diesen und ähnlichen Fällen unterstützt die Caritas mit einem Hilfsfonds. Das Projekt wird über Spenden finanziert. Zum dreißigsten Jubiläum der „Menschen helfen!“-Spendenaktion des Tagesspiegels stellen wir heute das Caritas-Projekt Hilfsfonds für Familien und jüngere Menschen vor.

„Im letzten Jahr haben wir 270 Menschen mit insgesamt 152.000 Euro unterstützt“, sagt Regine Eichner, die seit elf Jahren Referentin der Caritas in der Stabsstelle Ehrenamt und Fundraising ist. „In diesem Jahr sind es schon 360 Menschen mit 211.000 Euro“, sagt Eichner, „und das Jahr ist noch nicht zu Ende.“

Caritas-Referentin Regine Eichner in der Kleiderkammer.

© Silvia Passow / Silvia Passow/Tagesspiegel

Wenn es Probleme in der Gesellschaft gibt, merken Eichner und ihre Kolleginnen und Kollegen das, noch bevor es in den Zeitungen steht, sagt sie. Das Jahr 2022 stellte die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen der Caritas vor große Herausforderungen – und dabei ahnen sie: Das dicke Ende kommt erst noch.

In diesem Jahr haben wir 360 Menschen mit 211.000 Euro unterstützt.

Regine Eichner, Referentin der Caritas Stabsstelle Ehrenamt und Fundraising

Mit dem Hilfsfonds für Familien und jüngere Menschen hilft die Caritas finanziell schwächer aufgestellten Menschen schnell und minimal bürokratisch. Dabei kann es um Ersatzleistungen wie eine defekte Waschmaschine gehen. Auch manche Studiengänge oder Ausbildungen sind mit Ausgaben verbunden, erzählt Eichner.

Oder die anstehende Klassenfahrt, die für Geringverdienende, die keine sogenannten Transferleistungen beziehen, nicht mehr bezahlbar ist. Das kann auch die notwendige Operation für den Familienhund sein oder der Babysitter, der während des Elternabends die Kinder beaufsichtigt. Klassisch um die Jahreszeit sind auch Anträge von Alleinerziehenden oder bedürftigen Familien, die für ihre Kinder keine Weihnachtsgeschenke kaufen können, sagt Eichner.

In den letzten Wochen und Monaten haben sich die Inhalte der Anträge verändert, es geht weniger um Teilhabe, sondern um existenzielle Fragen, wie die Miete gezahlt werden kann oder der Wocheneinkauf.

Die Ruhe vor dem Sturm?

Da sind zum einen jene, die bereits Regelleistungen erhalten, die zuletzt um drei Euro erhöht wurden. Eine Inflationsrate von 10 bis 15 Prozent lässt sich damit nicht ausgleichen, gibt eine der Kolleginnen Eichners zu bedenken.

Wer sogenannte Transferleistungen bekommt, hat für gewöhnlich auch keine Rücklagen, auf die zurückgegriffen werden kann. Noch halten sich die Nachfragen zu steigenden Stromkosten in Grenzen, doch auch das wird sich vermutlich bald ändern, die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

In anderen Beratungsstellen kommen die Nachfragen bereits jetzt, wie Eichner von ihren Kolleg:innen erfahren hat. Auf die Frage nach den häufigsten Problemen lautet die Antwort knapp: „Essen, Strom, Gas, Verzweiflung.“

Die Fragen an Eichner und ihre Kolleg:innen offenbaren auch die Probleme in der Zusammenarbeit mit der Berliner Verwaltung, zum Beispiel den Sozialämtern und Wohngeldstellen.

Das Problem sind unbesetzte Stellen und Erkrankungen

„Was schon seit Langem nicht gut funktionierte, kollabiert gerade“, beschreibt eine andere Caritas-Mitarbeiterin die Situation auf den Ämtern. „Dabei gehe es niemandem um die einzelnen Mitarbeiter in den Behörden und Ämtern“, sagt Eichner. Das Problem liege in der Struktur der Behörden, in unbesetzten Stellen und Ausfällen bei Erkrankungen.

Die Situation in den Beratungsstellen hat sich in vielerlei Hinsicht verändert. Bereits während der Pandemie flohen viele Frauen aus gewalttätigen Beziehungen in die Frauenhäuser. Auch die Caritas selbst betreibt ein Frauenhaus. Es wird mit öffentlichen Zuwendungen finanziert, doch alles, was darüber hinausgeht, muss aus Eigenmitteln und Spenden bezahlt werden. Zum Beispiel der Mittagstisch für Kinder.

Ein weiterer Schwerpunkt während der Pandemie war die Ausstattung der Schulkinder mit Laptops und deren Anwendung. In Haushalten, in denen es keinen Computer gibt, sind die Jüngsten nicht firm im Umgang mit der Technik. Bereitstellen allein genügte nicht, es brauchte auch die Unterweisung mit den Geräten.

Zugenommen habe auch die Anzahl jener Menschen, die durch alle Raster fallen und die daher keine Leistungen vom Amt bekommen. Obdachlose zum Beispiel, sagt Eichner. Sie beobachtet eine steigende Anzahl an Wanderarbeitern aus Osteuropa.

Drei Tiny-Häuschen stehen im Hof

Mit dem Versprechen auf Arbeit angelockt, werden sie unzureichend bezahlt, können sich keine sichere feste Bleibe leisten. Auf dem Gelände der Caritas in Wedding gibt es eine Unterkunft für Obdachlose, sogar drei Tiny-Häuschen stehen im Hof.

Tiny-Häuschen für obdachlose Menschen auf dem Hof der Caritas in Wedding.

© Silvia Passow / Silvia Passow/Tagesspiegel

Angeschafft während der Pandemie, sollte in den Häuschen eine Isolation bei positivem Corona-Test möglich sein. Auch der Caritas-Foodtruck für obdachlose Menschen war eine Idee, die zur Coronazeit entstand. „Zuerst hatten wir Essen an Zäune gehängt. Dann kam die Idee mit dem Foodtruck“, erinnert sich Eichner.

Auf dem Caritas-Gelände gibt es außerdem einen ansprechenden Second-Hand-Shop, eine Sozialstation, Wohnraum für Kinder, Jugendliche und Geflüchtete sowie eine Kleiderkammer. Beim Auspacken der gespendeten Kleidung, Durchsehen, Falten und auf Bügel drapieren helfen viele Ehrenamtliche. Einige von ihnen haben einst selbst von der Caritas Hilfe bekommen.

Was schon seit Langem nicht gut funktionierte, kollabiert gerade.

Caritas-Mitarbeiterin

Die Caritas betreibt in Berlin vier Ukrainezentren, dazu Beratungsstellen, in denen rund 600 Personen Hilfe finden. Die Kinder eines gesamten ukrainischen Waisenhauses konnten in Brandenburg untergebracht werden.

Bleibt die Miete bezahlbar?

Neu hinzu kommen in den Beratungsstellen nun Menschen, die es bisher mit ihrem kleinen Einkommen noch irgendwie über die Runden geschafft haben. Oft sind es Alleinerziehende, deren Budget keine großen Sprünge erlaubt, die dennoch ohne Unterstützung zurechtkamen. Sie sorgen sich nun um ganz elementare Dinge. Bleibt die Miete bezahlbar? Können sie die hohen Energiekosten tragen? Und wie kann das Kind trotz steigender Preise gesund ernährt werden?

Der Hilfsfonds für Familien und jüngere Menschen ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um von der Caritas Hilfe zu erhalten. Manchmal greifen auch mehrere Hilfsinstrumente ineinander. Zum Beispiel im Fall eines jungen Mannes, dessen Vater bereits verstorben war. Kurz nachdem er sein Medizinstudium begonnen hatte, verstarb auch seine Mutter. Studierende in medizinischen und sozialen Bereichen können von der Caritas mit einem Stipendium unterstützt werden. Im Fall des jungen Mannes wurde zusätzlich ein Laptop aus dem Hilfsfonds für Familien und jüngere Menschen finanziert.

700
Hauptamtliche arbeiten in Berlin für die Caritas.

Auch ältere Menschen bleiben nicht unbeachtet. Für sie gibt es ebenfalls einen Hilfsfonds. Eine Caritas-Mitarbeitern schildert, dass die gegenwärtige Krise gerade auch für ältere Menschen schwierig ist. Nach zwei Jahren Pandemie waren viele einsam, sozial isoliert. Zugang zu Angeboten zu finden ist besonders für jene Älteren schwierig, die kein Internet nutzen und deren Mobilität eingeschränkt ist.

Neben dem Geld für ganz konkrete Notlagen ist es die Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen, das Nachhaken bei den Behörden und überhaupt das Wissen, was wer wo und wann beantragen kann, das die Caritas-Mitarbeitenden zur Verfügung stellen.

Also Das-anderen-zur-Seite-Stehen. Da ist die Rollstuhlfahrerin, die dringend ein neues Spezialbett benötigt, doch deren Grundsicherungsbescheid über Wochen ausbleibt. Damit hat sie keinen Einkommensnachweis. Und ohne den läuft nichts, wenn es um finanzielle Mittel geht.

Ein Nachweis der Bedürftigkeit ist Pflicht

Auch bei der Caritas muss die Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Zunächst müssen Anträge ausgefüllt werden, die Dringlichkeit eines Antrages wird von zwei bis drei Personen geprüft. Im Gegensatz zu den Behörden reichen für die Prüfung jedoch zwei, drei Tage, sagt Eichner. Keine Frage, sagt sie, man schaue bei der Vergabe der Spendengelder genau hin, und manchmal gehen einer Ablehnung oder einer Bewilligung einige Diskussionen voraus.

Laut dem Leitbild setzt sich der Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V. für sozialpolitische Lösungen und für die Verbesserung von Lebensbedingungen ein. In Berlin arbeiten mehr als 700 Hauptamtliche für die Caritas. Sie werden unterstützt von rund 600 Ehrenamtlichen. Sie beraten, unterstützen, begleiten Menschen in schweren Situationen und Zeiten.

Unterstützt werden Menschen in Krisensituationen unabhängig von Konfession und Weltanschauung. Neben finanzieller Hilfe benötigt der Verband auch weiterhin ehrenamtliche Mitarbeit.

So vielfältig wie die Hilfen der Caritas, so unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement: Das kann ganz praktisch beim Sichten und Sortieren von Kleiderspenden sein bis hin zur professionellen Krisenbegleitung.

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