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Für die Jugend da. Dorina Thomas, Bereichsleitung Jugendfreizeiteinrichtungen des HvD (l.) und Silke Heuke-Böhm, Leiterin des „Orange Flip“ Lichtenberg.

© Tagesspiegel/Christian Mang

Warm ums Herz : Berliner Projekte für Obdachlose und Jugendliche in Not

Im 30. Jahr unserer Spendenaktion stellen wir drei Projekte des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg vor - und bitten um Spenden für „Menschen helfen!“. 

Von Silvia Passow

Bereits an der Tür verspricht der Duft von Suppengrün und Wiener Würstchen eine warme Mahlzeit an diesem frischen Dezembertag. Die ersten Gäste sind eingetroffen und lassen sich von Jünni, der hier fünf Tage die Woche arbeitet, Brühreis auf die Teller füllen. Heute haben Jünni und seine Kollegin Glück, die Spülmaschine hat einen guten Tag, surrt leise wie ein Bienchen und ist auch genauso fleißig. Ist leider nicht immer so, wenn die Maschine ausfällt, heißt es Abwaschen von Hand.

Gegenüber dem Bahnhof Lichtenberg finden Wohnungslose und Bedürftige die Unterstützung durch den Humanistischen Verband Deutschland (HVD). Eine Hofeinfahrt, einmal ums Eck, dort steht die Tür für Menschen offen, die über gar kein oder ein nur sehr geringes Einkommen verfügen. Sie sind Willkommen im „Tagestreff für Wohnungslose und Bedürftige“.

Jeden Tag warmes Essen

Täglich, sieben Tagen die Woche, werden hier drei Mahlzeiten serviert. Frühstück, warmes Mittagessen, Abendbrot. In den Räumen kann man sich nicht nur aufwärmen und Schutz finden. Wer eines hat, kann hier sein Handy aufladen, seit ein paar Tagen gibt es gratis W-Lan: Gesellschaft erleben oder Ruhe finden. Wichtig ist, sich selbst sauber zu halten. Das ist nicht so einfach auf der Straße, umso besser, wenn es einen Ort mit Duschen gibt und Waschmaschinen und Wäschetrockner.

Anlaufstelle für Bedürftige

Warm ums Herz. Maria Richter, Leiterein des Tagestreffs, in der Kleiderkammer. Der Tagesspiegel sammelt jetzt für die HvD-Projekte.  

© Tagesspiegel/Christian Mang

In der Kleiderkammer lässt sich verschlissenes ersetzen. Warme Pullis und Jacken sind gerade gefragt, dennoch sind die Regale befüllt. Eine Zeit lang hatte sie Sorge, die Menschen würden die Not der Obdachlosen wegen des Krieges in der Ukraine vergessen. Doch das war unbegründet, sagt Maria Richter, Leiterin des Tagestreffs in der Kleiderkammer.

Sie sitzt eine Treppe höher, nebenan haben mehrere Ärzte ihre Sprechzimmer. Sie bieten medizinische Versorgung an. Sie helfen jenen, die schon lange keine Hilfe mehr in Anspruch nahmen. Ein erfahrenes Team, dass mit den Ängsten und Nöten der Menschen vertraut ist. Auf der anderen Seite des Flures gibt es so eine Art Poststelle. Für Wohnungslose die Möglichkeit, Post zu bekommen, denn sie können diese Adresse angeben und sich dann ihre Briefe hier abholen. Maria Richter berät die Menschen im Alltag, hilft beim Ausfüllen von Anträgen, organisiert und hat vor allen Dingen immer ein offenes Ohr.

Essen verbindet

„Den Zugang zu den Menschen gewinnen wir über die angebotenen Mahlzeiten“, sagt Richter. Essen verbindet, und weil dem so ist, entstehen so alle anderen Kontakte. Die Lebensmittel holen die Mitarbeitenden des HVD in den Supermärkten ab. Es sind Spenden, was nicht in der Küche verarbeitet wird, wird an die Menschen im Tagestreff verteilt. Bleibt etwas übrig, wird es an andere Einrichtungen weitergegeben, sagt Richter.

 „Jünni“ räumt die alte Maschine aus. Der Tagestreff für Wohnungslose und Bedürftige des Humanistische Verbandes in der Weitlingstraße braucht einen neuen Industriegeschirrspüler.

© Tagesspiegel/Christian Mang

Müder Geschirrspüler

30 bis 40 Menschen kommen bereits zum Frühstück, Mittags ist am meisten los, rund 60 frisch gekochte Mittagessen gehen über den kleinen Küchentresen. „Wir kochen alles selbst“, sagt Jünni. Abends sind es 20 bis 30 Abendessen, die verteilt werden. Am Andrang wird spürbar, wie weit der Monat fortgeschritten ist.

„Zu Monatsbeginn ist deutlich weniger los als gegen Ende“, sagt Richter. Dann herrscht in der kleinen Küche Hochbetrieb. Ist der Spüler defekt, heißt es: von Hand abwaschen. Zwei oder auch drei Stunden Mehrarbeit bedeutet das. Der Industriespüler schafft eine Ladung Geschirr in 15 Minuten. Nicht nur der Abwasch hält auf, in der überschaubaren Küche ist nicht viel Platz, um Dinge abzustellen. Und die Macken häufen sich, immer wieder muss das Gerät repariert werden. Die Kosten würde man sich gern sparen, sagt Richter.

Außer der Finanzspritze über den Tagesspiegel-Spendenverein für den neuen Geschirrspüler freut sich Richter über gespendete Handys für ihre Klienten. Warme Kleidung gibt es derzeit noch in der Kleiderkammer, wird aber auch gern entgegengenommen. Was stets fehlt, warme Socken und Unterwäsche für Männer. Rund zwei Drittel der Gäste im Tagestreff sind männlich. Wäsche und Socken sollten im guten Zustand sein, etwa so, dass man sie auch dem besten Freund geben würde.

Hochbeet & Solaranlage

Nur wenige Kilometer entfernt, ebenfalls in Lichtenberg, liegt, eingebettet zwischen Hochhäusern, der Jugendclub Orange Flip. Ein Flachbau, wird die Eingangstür geöffnet, geht im Flur das Licht an. Bewegungsmelder sorgen für Erleuchtung, wenn diese nötig wird und nur dann. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema für Silke Heuke-Böhm, Projektleiterin des Jugendclubs und Dorina Thomas, Bereichsleiterin der Jugend- und Freizeiteinrichtungen des HVD.

Mit dem Jugendclub wollen sie Kindern und Jugendlichen von sechs bis 18 Jahren eine niedrigschwellige Anlaufstelle im Kiez anbieten. Dazu haben sie unter der Woche von 12 bis 20 Uhr geöffnet, auch in den Ferien. Rund 30 Kinder und Jugendliche besuchen regelmäßig den Club. Im Sommer sind es mehr, was wohl am Beach-Volleyball-Feld, Tischtennis und der großzügigen Gartenanlage liegt. Freier Blick, wo sonst Betonwände die Sicht versperren, genug Abstand zu den Wohnblöcken, hier darf es auch mal etwas lauter werden.

Für die Jugend da. Dorina Thomas, Bereichsleitung Jugendfreizeiteinrichtungen des Humanistischen Verbandes (l.) und Silke Heuke-Böhm, Leiterin des „Orange Flip“ Lichtenberg, wollen gern mehr Hochbeete bauen.

© Tagesspiegel/Christian Mang

Kochen mit den Kids

Zum Programm im Jugendclub gehört das regelmäßige Kochen. Die Lebensmittel dafür kommen von der Berliner Tafel. Frisch, in Handarbeit das Essen zubereiten ohne irgendwelche Würzwunder aus der Tüte. Noch frischer, mit noch mehr Kontakt zum Lebensmittel, wäre Kochen mit selbst angebautem Gemüse, sagt Thomas.

In einem Hochbeet im Garten sind Heidelbeerstrauch und Himbeere untergekommen. In weiteren Beeten stehen Kräuter, Lorbeer und Salbei zeigen einige grüne Blätter, alles andere hat sich in die Winterruhe begeben. „Es dürfen gern noch mehr Hochbeete werden“, sagt Heuke-Böhm und streicht mit den Händen vorsichtig über die Salbeiblätter. „Dann könnte noch mehr Gemüse und Kartoffeln angebaut werden.“

Nachhaltigkeit leben

Die Beete sollen mit einer Tröpfchenbewässerung ausgestattet werden. Denn bei den warmen Sommern sollte diese automatisch, auch am Wochenende, Wasser spenden. Wohl dosiert, auch hier zählt wieder der Nachhaltigkeitsgedanke. Geplant sind der Bau eines Insektenhotels, eine Bienenzucht und die Installation einer mobilen Solaranlage.

Noch lieber wäre Thomas eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach des Jugendclubs. Doch dazu fehlen die Mittel, also heißt es: eine Nummer kleiner anfangen. Mit einer eigenen PV-Anlage ließe sich auch beim Energieverbrauch sparen, gibt sie zu bedenken. Besonders bei den steigenden Preisen. „Das gesparte Geld ließe sich für die Kinder einsetzen“, sagt Thomas weiter.

Hobbygärtner:innen gesucht

Auch im Orange Flip würde man sich nicht nur über Geldspenden freuen. Passionierte Hobbygärtner:innen und Handwerker:innen sind willkommen. Es wird Unterstützung beim Aufbau der Hochbeete gesucht. Saatgut für Gemüse und Kräuter und Stecklinge sind ebenso willkommen.

Ein weiterer Jugendclub des HVD ist die Freizeiteinrichtung BlueBox im Neuköllner Frauenviertel. Auf dem 2500 Quadratmeter großen Außengelände lässt es sich prima spielen und toben. Volley- und Basketballfeld laden zu sportlichen Turnieren ein. Es gibt eine kleine Bühne und eine feste Lagerfeuerstelle. Auspowern und gesellig sein geht hier allerdings nur im Sommer richtig gut.

Sobald das Wetter nasskalt und winterlich wird, reicht der Platz für die Kinder und Jugendlichen nicht aus. Denn das „Gebäude“ der Jugendeinrichtung BlueBox besteht aus vier ausrangierten Schiffscontainern. Auf einer Fläche von 174 Quadratmetern findet das winterliche Leben statt. Toiletten, Küche, Büro und Lagerräume sind darin untergebracht, ab ungefähr 15 Besuchende wird es eng und laut, beschreibt Dorina Thomas die Situation.

Wunsch: Bauwagen und Hütte

Seit 2016 werden immer wieder kleinere Reparaturen erledigt, so wurde das undichte Dach und die defekte Eingangstür in Eigenregie ausgebessert, doch bräuchte es dringend Ersatz für die maroden Gebäude, über deren Zustand auch das Jugendamt Neukölln bereits informiert sei, so Thomas.

Um besser über den Winter zu kommen, wären ein Bauwagen oder ein Gartenhäuschen, besser noch beides, hilfreich. Im Moment stoßen die Mitarbeitenden an ihre Grenzen. 40 bis 60 Kinder und Jugendlichen kommen regelmäßig in die BlueBox. Sozialarbeiter:innen, Erzieher:innen, bereits ausgebildet und Auszubildende sowie Praktikanten:innen entwickeln gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen verschiedene Projekte.

Bei der Gestaltung von Unterkunft und Einrichtung sind die später Nutzenden gefragt, Teilhabe bei Farbgestaltung und Auswahl der Möbel gehört zum Konzept der BlueBox. Für die Mitarbeitenden würde man sich beim HVD auch warme und robuste Arbeitskleidung dank der Spenden.

Keine Glaubensfrage

Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg möchte die Interessen und Rechte religionsfreier Menschen in der Gesellschaft vertreten. Der Verband betreibt in der Region 26 Kindertagesstätten und eine Fachschule für Sozialpädagogik. Der HVD richtet Jugendfeiern, Paten-, Hochzeits-, und Bestattungsfeiern aus.

Unterstützung finden auch Menschen in Krisensituationen, Familien, Ältere, Erkrankte und Menschen mit Behinderungen. Es gibt Angebote für Schwangere, bei Familienkonflikten, bei Wohnungsnot und Obdachlosigkeit. Drei Betreuungsvereine, zwei Sozialstationen und fünf Hospizeinrichtungen gehören ebenfalls zum HVD. 15.000 Mitglieder, 1400 hauptamtliche Mitarbeitenden und fast ebenso vielen ehrenamtlich Engagierte geben Rat und Hilfe unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Weltanschauung.

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