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Berlin: Fantastischer Firlefanz

AUFTRITT DER WOCHE Der Cirque du Soleil gastiert mit seiner Show „Alegría“ in der 02-World

Das Wichtigste vorneweg: Wer sich nicht für eine der beiden teuren Preiskategorien entschieden hat, sollte wegen der vielen besonderen Details am besten ein Opernglas mitnehmen. Denn die Show „Alegría“ des kanadischen Zirkusunternehmens Cirque du Soleil will kein traditioneller Zirkus mit Sägespänen und Tiernummern sein und gastiert von Mittwoch bis Sonntag daher nicht in einem klassischen Zirkuszelt, sondern in der 02-World. Entsprechend anders als bei einer Zirkusmanege sind die Sichtverhältnisse auf das bunte Programm aus Akrobatik, Theater, Livemusik und -gesang, auf die aufwendig gearbeiteten Kostüme, die kunstvoll geschminkten Gesichter und die waghalsige Artistik.

Gut 14 Jahre ist es her, da war die Erfolgsshow, die seit ihrer Premiere 1994 weltweit schon zehn Millionen Besucher gesehen haben sollen, schon einmal zu Gast in Berlin. Im Sommer 1997 allerdings noch im großen weißen Zirkuszelt, das für sechs Wochen am Potsdamer Platz aufgebaut wurde. 40 Trucks brachten damals Zeltaufbauten, Trapeze, Stangen, Matten, Reifen und 400 farbenprächtige Kostüme nach Berlin. Für die aktuelle Arenatour werden heute nur noch halb so viele LKW benötigt, doch die Zahl der Mitwirkenden ist gestiegen: 55 Artisten aus 17 Ländern bereichern nun die locker gewobene „Alegría“-Geschichte über den hin- und herpendelnden Kampf zwischen Establishment und jungen Rebellen mit ihrer teils spektakulären Akrobatik.

Besonders rasant sind die Nummern auf zwei über Kreuz liegenden Trampolinbahnen, am Trapez und an einer Art Hochreck mehr als zwölf Meter über dem Boden. Kaum weniger atemberaubend ist der samoanische Tanz junger Männer mit ihren mit brennenden Handtüchern umwickelten Messern und die Balance- und Flugnummer auf dünnen Querstangen, den sogenannten „Russian Bars“. „Im Laufe der Jahre hat sich nicht nur die erzählte Geschichte gewandelt. Auch das artistische Niveau ist stetig gestiegen“, sagt Tim Smith, künstlerischer Leiter. Dafür sorge nicht zuletzt Guy Laliberté, der den Zirkus 1984 mit Straßenkünstlern in Québec gegründet hat. Der 52-Jährige gilt als einer der reichsten Männer Kanadas. Er ist Gründer der Stiftung One Drop Foundation, die zum Ziel hat, jedem Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen, ist zu seinem 50. Geburtstag zur Internationalen Raumstation ISS geflogen und hat außerdem privat eine Pokerkarriere gestartet. Nach wie vor ist für Laliberté ein Platz in jeder Show reserviert. „Guy fällt immer noch etwas Neues ein“, sagt Smith mit Bewunderung. Bei inzwischen etwa 30 Programmen soll das etwas heißen.

Auch wenn im Cirque du Soleil alles ein wenig anders ist und selbst der Livegesang zum musikalischen Mix aus Pop, Jazz, Klezmer, Tango und Synthesizer in einer Fantasiesprache erfolgt – Clowns dürfen auch in diesem Zirkus nicht fehlen. Doch sie tragen keine roten Pappnasen, gelbe Perücken oder karierte Hosen und stolpern über ihre riesigen Schuhe. Es sind vielmehr seltsame, mitunter schwermütig wirkende Wesen aus einer fremd anmutenden Welt, die auch mal gegen einen Schneesturm ankämpfen müssen. Sie machen vielleicht am meisten deutlich, dass „Alegría“, das spanische Wort für Freude und Heiterkeit, beim Cirque du Soleil auch ein melancholisches Gesicht tragen kann. Eva Kalwa

O2-World, 12.-16. Oktober, Mi-Fr 20 Uhr, Sa 12, 16 und 20 Uhr, So 13 und 17 Uhr, Tickets 78-95 €

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