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Hust-hust. Die alltäglichen Leiden der Berliner Radler.

© Jan Woitas/ picture alliance

Feinstaub in Berlin: Feinstaubbelastung für Radfahrer erforscht

Potsdamer Wissenschaftler haben die Feinstaubbelastung für Berliner Fahrradfahrer gemessen. Ihr Ergebnis: Je breiter die Straße, um so weniger Dreck – jeder Meter zwischen Fahrbahn und Radweg hilft.

Seit der Erfindung der EU-Feinstaubrichtlinie gehört es so gut wie zum Berliner Allgemeinwissen, dass die Luft in der Silbersteinstraße und in der Frankfurter Allee besonders dreckig ist. Allerdings ist das bestenfalls die halbe Wahrheit. Denn in diesen Straßen stehen zwei der 16 Messcontainer, mit denen die Umweltverwaltung die Berliner Luft überwacht. Und von denen stehen nur sechs direkt an Straßen. Wissenschaftler des Potsdamer IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) versuchen, die andere Hälfte der Wahrheit zu ergründen: Immer wieder sind sie zwischen der Berliner City und dem Institutssitz nahe der Glienicker Brücke geradelt, in den Packtaschen zwei vom Umweltbundesamt geborgte Feinstaubdetektoren.

Jetzt werten sie die gesammelten Daten aus. „Ursprünglich hatten wir uns gar nicht so sehr für Feinstaub interessiert, sondern für flüchtige organische Verbindungen“, erzählt die Chemikerin Erika von Schneidemesser, die das Projekt mit ihrem Kollegen Boris Bonn leitet. Zu diesen Verbindungen zählt fast alles, was irgendwie „nach Chemie“ riecht – von der Abgaswolke über Blüten bis zu frischer Farbe. Diese Gase begünstigen die Bildung von Ozon, dem sogenannten Sommersmog. Sie haben nur einen Nachteil: Es gibt noch keine ausgereiften mobilen Geräte, um sie zu messen. Also haben sich die Wissenschaftler zunächst vor allem auf den Feinstaub konzentriert, der in Form winziger Partikel in der Luft schwebt und in mobilen Filtern gesammelt werden kann.

Raucher und Mopeds

„An großen Kreuzungen und bei Stau geht die Feinstaubkonzentration immer hoch“, sagt von Schneidemesser und zeigt das Phänomen am Computer: Der Blick von schräg oben auf die Stadt, die gefahrene Route als Linie – mit einzelnen Feinstaubspitzen, die wie Felszacken herausragen. Manches Indiz liefern mitgeschnittene Videos: Ein Bus voraus, ein Moped, eine Baustelle. Aber auch ein Raucher an der Ampel kann sich im Messgerät bemerkbar machen, wenn er direkt daneben steht.

Erika von Schneidemesser ist mit dem Messgerät durch Berlin geradelt.

© Stefan Jacobs

Vieles scheint auch zufällig oder wetterabhängig, und manches überrascht: So war die Luft bei einer Messfahrt auf dem Kronprinzessinnenweg trotz der parallelen Avus sauberer als auf der mitten im Grunewald gelegenen Havelchaussee. Womöglich ist die Masse der gleichmäßig und in einigem Abstand zu den Radfahrern auf der Autobahn rollenden Autos also weniger problematisch als der viel geringere Verkehr auf der Havelchaussee, der den Radler dort dicht überholte und wegen der vielen Hügel mehr Abgase ausstieß.

Bessere Luft in Nebenstraßen und bei Mittelstreifen

Wie die Faktoren genau miteinander zusammenhängen, werden wohl erst weitere, für 2016 geplante Messfahrten zeigen. Ein paar Faustregeln hat Erika von Schneidemesser aber schon jetzt ermittelt: Wind senkt immer die Feinstaubbelastung, Umwege durch Nebenstraßen versprechen den Radfahrern meist wesentlich bessere Luft. Aber auch an Hauptverkehrsadern gibt es Indizien, dass die Konzentration der schädlichen Partikel mit jedem Meter zusätzlicher Entfernung zwischen Fahrbahn und Radweg sowie mit zusätzlicher Straßenbreite sinkt: Ein breiter Mittelstreifen und etwas zurückgesetzte Bebauung bedeuten in aller Regel bessere Luft als eine enge Straßenschlucht. Bei der nächsten Messkampagne will Erika von Schneidemesser mal an der Spree entlang radeln, um den Effekt der – überwiegend ungefilterten – Ausflugsdampfer zu messen. Außerdem will sie sich an die Fersen einer Trabi-Safari heften. Sie rechnet mit mächtigen Zacken auf ihrem Feinstaubdiagramm.

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