zum Hauptinhalt
Jugendcamp

© Michael August

Ausbildung: Ferien mit Zukunft

40 Berliner Hauptschüler werden während der Ferien im Jugendcamp fit fürs Berufsleben gemacht. Neben ganz praktischen Kenntnissen gewinnen die Schüler vor allem Selbstvertrauen.

Es geht lebhaft zu im Speisesaal des Kinder- und Jugendfreizeitzentrums Bosau in Schleswig-Holstein. Nur die müden Augen der 40 Hauptschüler aus Berlin verraten, dass die angehenden Achtklässler ein hartes Ferienprogramm hinter sich haben. 18 Tage lang wanderten sie von einem Betrieb zum anderen, nahmen an Kompetenz- und Konfliktlösungsworkshops teil und bastelten an Handwerksprojekten herum. Kein Wunder, dass die Schüler schlapp sind. Vereinzelt haben sie neben ihren Stühlen Taschen stehen. Auf schwarzem Grund leuchtet orangerot die Aufschrift „futOUR07“. Die Zukunft soll ihnen gehören!

Für die Berliner Hauptschüler, die für knapp drei Wochen an dem kostenlosen Ferienlager teilnehmen durften, ist das keineswegs selbstverständlich. Hauptschüler haben einen erbärmlichen Ruf. In Berlin liegt ihre Sitzenbleiberquote bei zwölf Prozent, ein Viertel aller Hauptschüler schafft den Abschluss nicht. Viele mogeln sich irgendwie durch.

Von diesen „Restschülern“ soll es künftig mehr geben, die eine realistische Zukunftsperspektive entwickeln und damit ihren Ruf als planlose, faule Hauptschüler ablegen. Kurz nach dem legendären Brandbrief der Neuköllner Rütlischule startete der Unternehmer Werner Gegenbauer gemeinsam mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung sowie der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung im vergangenen Jahr das Projekt Futour.

Das Angebot ist völlig kostenfrei

Dieses Jahr durften wieder 81 Schüler zu den Futour-Camps nach Nord- und Süddeutschland fahren. „Da das Angebot kostenfrei ist, war uns die Motivation der Jugendlichen besonders wichtig“, erzählt Katharina Teiting. Für die Teilnahme musste ein Bewerbungsbogen ausgefüllt werden. Ob die Schüler schon mal im Urlaub waren, welche Hobbys sie haben und warum sie teilnehmen wollen. Besonders Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien sollen gefördert werden.

Die Grüppchen aus dem Nordcamp Bosau machten sich auf den Weg zu Handwerksbetrieben in der Umgebung. Ob in die Schneiderei, zum Bootsbauer oder in die städtischen Klärwerke – aus über 20 Berufsgruppen konnten sich die Berliner Jugendlichen drei Favoriten zum Kennenlernen und Mitmachen aussuchen. Doch Maximilian Fischer ist trotzdem enttäuscht. Der 14-Jährige hätte gerne seine Jeans gegen einen Blaumann in einer Kfz-Werkstatt getauscht. Aber ganz nach dem gängigen Klischee wollten das fast alle Jungs einmal ausprobieren. Für Maximilian war kein Platz mehr im Betrieb.

Autotuner für die Jungs, Tierpflegerin für die Mädchen

Sein Freund Chris Tostdorff hatte Glück und wurde mit ausgelost. „Ich will Securitymann oder Autotuner werden, war super in der Werkstatt“, erzählt der 13-Jährige. Solche Berufswünsche sind typisch für sein Alter. Die Mädchen bevorzugen Berufe in den Branchen Kosmetik oder Fitness. Oder sie wollen Sängerin oder Tierpflegerin werden, wie die 13-jährige Jasmin Ritter. „Viele Berufswünsche sind einfach utopisch, aber deshalb sind die Jugendlichen ja auch hier. Bei Futour sollen sie lernen, ihre Fähigkeiten und Träume realistisch und mit Blick auf den Ausbildungsmarkt einzuschätzen“, meint Teambetreuerin Katharina.

Die meisten Schüler müssen überhaupt erst einmal ihre Interessen erkennen. In zahlreichen Workshops aus den Bereichen Medien und Technik, Tanz und Gymnastik, Instrumentenbau, Kunst, Theater, Zirkus, Gebärdensprache oder auch Handwerk konnten sie ihre Neigungen austesten. Jeder Teenager beteiligte sich zusätzlich an einem größeren Projekt. Davon profitierte auch das Jugendzentrum Bosau. Dort gibt es jetzt eine neue Theaterbühne, einen weichen Sandstrand am See, und auch der Billardtisch hat eine neue Bespannung.

Jasmin hat bei den Betriebsbesichtigungen einen Frisörsalon kennengelernt. „Das war ganz toll! Wenn es als Sängerin nicht klappt, kann ich mir auch diesen Beruf vorstellen“, sagt die Schülerin hoffnungsvoll. Viele Ideen und Visionen springen in ihrem Kopf herum. Ihr bisher größtes Ziel ist, nach dem Hauptschulabschluss in die Realschulklasse zu wechseln: „Ich bin zwar eher mittelmäßig, aber ich glaube, ich kann mehr.“

Damit das neu gewonnene Selbstvertrauen der Schüler die Ferien überdauert, warten an den teilnehmenden Schulen sogenannte Verbindungslehrer, die an die Futour-Camps anknüpfen sollen.

Louisa Hantsche

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false