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© X-Verleih

Filme: Mauerschau im Kinosessel

Von Bond bis Burton: Der Berliner Betonwall war im Film von Anfang an ein beliebter Stoff – voller Spannung und Gefühle, geeignet für Thriller, Melodram und Komödie.

Ein Knopfdruck aus der Ferne – mit einem Riesenrums fliegt die Telefonzelle samt Fernsprechteilnehmer in die Luft, die Berliner Mauer daneben gleich mit. Ein enormes Loch klafft plötzlich nahe der Friedrichstraße, begeistert strömt das geknechtete Volk ins Freie, beladen mit Taschen, Koffern, Kinderwagen, sogar Grenzer machen mit.

Der Mauerfall in „Casino Royale“, die 1966 von sechs Regisseuren, darunter John Huston, gedrehte Parodie auf die Bond-Filme, dürfte der erste der Filmgeschichte gewesen sein. Die neueste, sicher nicht letzte Version dieser deutschen Sternstunde kommt kurz nach deren 20. Jahrestag in die Kinos: Peter Timms romantische Komödie „Liebe Mauer“, mit Felicitas Woll als West-Berliner Studentin mit Wohnung am Übergang Heinrich-Heine-Straße und Maxim Mehmet als feschem Grenzer im Wachturm gegenüber. Eine deutsch-deutsche Liebe erblüht, die nach viel Herzklopfen, Heimlichkeiten und Gefahren in einem Richtung Stasi-Haft rollenden Wagen zu enden scheint, der aber im Trabi-Stau des 9. November 1989 stecken bleibt.

Die beiden Filme markieren gleichsam die Endpunkte der Skala, die auf Leinwand wie Bildschirm variantenreich ausgemessen wurde, um den Berliner Betonwall künstlerisch zu gestalten – ihn darzustellen, sich damit auseinanderzusetzen, sein Spannungspotenzial auszuschlachten, ihn zu geißeln oder zu rechtfertigen, ihn poetisch zu überhöhen oder gar spielerisch zu überwinden. Mal erscheint der Mauerstoff dabei wie ein Fantasieprodukt, von der Realität allenfalls inspiriert, mal haben die Autoren reale Vorfälle, Fluchten meist, verarbeitet.

Der erste Regisseur, der auf die Mauer reagieren musste, war Billy Wilder, dem der 13. August 1961 in die Dreharbeiten zur Ost-West-Satire „Eins, zwei, drei“ platzte. In der Handlung spielte das keine Rolle, aber das Brandenburger Tor musste er im Münchener Studio noch mal aufbauen. Das war ärgerlich, zumal der Film, von der Realität überholt, an der Kasse floppte und erst später ein Erfolg wurde. Ähnlich fatal aufs Geschäft wirkte sich 28 Jahre danach der Fall der Mauer aus, für Peter Kahanes Defa-Film „Die Architekten“, eine im Oktober 1989 begonnene Abrechnung mit dem lähmenden, immer mehr DDR-Bürger in den Westen treibenden Staatsbürokratismus. Als er 1990 startete, gab es Preise, aber kaum Zuschauer.

An sich aber war die Mauer, geschäftlich betrachtet, für die Filmindustrie ein unverhofftes Geschenk: Welch ein Stoff! Welche Möglichkeiten zu Spannung, großen Gefühlen! Schon vorher war Berlin als Hochburg der Spione idealer Hintergrund wie auch Inspiration fürs Thriller-Genre – und nun noch mit Mauer. Klar, dass nach dem parodierten auch der originale James Bond vorbeischauen würde. Der kam 1983 in „Octopussy“ mit Roger Moore als 007, der am Checkpoint Charlie in die DDR einreiste. Bei den Dreharbeiten endete die Fahrt am weißen Strich, gleichwohl gab es bei den DDR-Grenzern viel Aufregung.

Der Actionstreifen reiht sich ein in eine ganze Serie von Agentenfilmen mit der Mauer als Spannungselement. Zum Schlagwort wurde „Der Spion, der aus der Kälte kam“, der Titel von John le Carrés Roman wie auch der Verfilmung von 1965 mit Richard Burton als Alec Lumas, beim britischen Secret Service Leiter des Berliner Büros, der als vermeintlicher Überläufer beim DDR-Geheimdienst eingeschleust wird, um einen Topmann auszuschalten – eine doppelte Täuschung, wie er zu spät erkennt. Er und seine Freundin enden im Kugelhagel an der Mauer.

Ähnlich falsch wurde in „Finale in Berlin“ (1966) gespielt, mit Michael Caine als britischem Agenten Harry Palmer, der die Flucht des Ost-Berliner KGB-Chefs vorbereiten soll, ebenso in „Die Schlange“ (1972), mit Yul Brynner als KGB-Oberst. In beiden Fällen gipfelt das Doppelspiel auf der Glienicker Brücke.

Einen realen Hintergrund hatte „Escape from East Berlin – Tunnel 28“ (1962) von Robert Siodmak. Für die Fluchtgeschichte gab es Lob vom Bundesminister für gesamt-deutsche Fragen und das Prädikat „Besonders wertvoll“. Sie passte eben prima ins politische Konzept.

Das galt, unter anderen Vorzeichen, auch für die Filme, mit der die Defa auf die Mauer reagierte. In „...und deine Liebe auch“ von Frank Vogel steht ein Mädchen zwischen zwei Brüdern: dem im Westen jobbenden Hallodri Klaus (Ulrich Thein) und dem wackeren Kampfgruppenangehörigen Ulli (Armin Mueller-Stahl), der an der neuen Mauer zuverlässig seinen Dienst versieht. Keine Frage, wem von beiden das Mädel zum Schluss zufällt.

Wenige Wochen nach der Premiere am 17. September 1962 kam schon der nächste Defa-Mauerfilm ins Kino: „Der Kinnhaken“ von Heinz Thiel. Wieder steht ein Grenztruppenmann im Mittelpunkt, gespielt von Manfred Krug, der sich am Tag des Mauerbaus selbst durch schöne Augen in der Pflichterfüllung nicht beirren lässt. Und wieder muss sich ein Mädchen zwischen Ost und West entscheiden. Zum Glück hat sie ihren Grenzer, der den Konkurrenten – einen Zuhälter – per Fausthieb in die Schranken weist.

Filmgeschichte war so kaum zu schreiben, im Gegensatz zu „Der geteilte Himmel“ (1964), Konrad Wolfs Verfilmung des Romans von Christa Wolf, in der eine Liebe vor dem Hintergrund der geteilten Stadt scheitert. Der Film entstand in einer Tauwetterphase, was ihm sicher half. Die komödiantische und poetische Leichtigkeit aber, mit der westliche Produktionen das Mauerthema behandeln konnten, war ihm nicht möglich. Ein Film wie „Der Mann auf der Mauer“, 1982 von Reinhard Hauff gedreht, mit Marius Müller-Westernhagen als zwischen den Systemen pendelndem Grenzgänger, war im Osten ebenso undenkbar wie „Meier“ (1986) von Peter Timm, der einen Ost-Berliner mit falschem Pass zwischen den Stadthälften hin- und herreisen lässt. Angeblich hat er eine Maschine erfunden, die die Tapeten der Planwirtschaft zu westlichem Raufaserstandard veredelt – ein Schwindel, für ihn vorteilhaft, fürs Publikum unterhaltsam. Engeln wie in Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“ (1987) waren die Grenzanlagen am tristen Potsdamer Platz ohnehin kein Hindernis. Mit dem Mauerfall hatte sich Ost-West-Spionage als Berliner Filmstoff erst mal erledigt, der Alltag in der geteilten Stadt aber nicht. Ja, er selbst geriet rasch ins Visier der Filmindustrie. Überaus erfolgreich geschah das 2003 in Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“

Die handlungsauslösende Szene spielt am Abend des 7. Oktober 1989, dem 40. DDR-Geburtstag, als die Stasi friedliche Demonstranten, darunter Daniel Brühl als Hauptfigur Alexander Kerner, auseinanderknüppelt. Gedreht wurde an der Mohren-, Ecke Glinkastraße mit per Aufruf gesuchten Komparsen. Manche waren bei der realen Demo dabei gewesen – und reagierten nun empört, als es vorne zwischen Stasi und Protestlern richtig zur Sache ging. „Die gleiche ohnmächtige Wut, die sie damals erlebt hatten, kam bei ihnen wieder hoch“, erinnerte sich Becker. Dass sich dort professionelle Stuntmen prügelten, hatte er nicht verraten.

Die Ost-West-Perspektive war bei „Sonnenallee“ (1999) schon im Titel angelegt, die Straße beginnt in Neukölln und endet in Treptow – oder umgekehrt. Leander Haußmann beschrieb darin im Komödienstil das Lebensgefühl Ost-Berliner Jugendlicher der Siebziger, während Margarethe von Trotta für ihr Familienmelodram „Das Versprechen“ (1995) den größtmöglichen zeitlichen Rahmen setzte: vom Bau der Mauer bis zu ihrem Fall.

Auch das Fernsehen beteiligte sich bald an der filmischen Vergangenheitsbewältigung – und machte mitunter dem Kino regelrecht Konkurrenz. Ob Roland Suso Richters „Der Tunnel“ (2001, Sat 1), Hartmut Schoens „Die Mauer“ (2006, arte/ARD), Miguel Alexandres „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ (2007, arte/ARD) oder „Das Wunder von Berlin“, wiederum von Richter (2008, ZDF) – stets wurde großes Gefühlskino im Wohnzimmerformat versucht, am liebsten mit Veronica Ferres und Heino Ferch, gerne als Zweiteiler mit Kinopremiere und dem üblichen Eventzirkus. Der Titel des letztgenannten Mauerwerks war allerdings nur möglich, weil Deutschland bei der Fußball-WM 2006 doch nur Platz 3 geschafft hatte. Sönke Wortmann hatte ihn zunächst für seine Dokumentation dieser Wochen erwogen. Aber Klinsmanns Truppe ohne Meistertitel – da reichte es nur für „Deutschland – ein Sommermärchen“.

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