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Berlin: Finde er mir den Attaquanten!

Uff, dieses Buch sieht nach Anstrengung aus. Ein "Verzeichnis der historischen Personen und fiktiven Hauptakteure", über 40 Namen lang, ist dem Romantext von "Königsblau" vorangestellt.

Uff, dieses Buch sieht nach Anstrengung aus. Ein "Verzeichnis der historischen Personen und fiktiven Hauptakteure", über 40 Namen lang, ist dem Romantext von "Königsblau" vorangestellt. Dass man hier ausgerechnet Friedrich II. vergessen hat, um den herum sich doch das abenteuerliche, mordlüsterne Geschehen abspielen wird, sei verziehen. Ein Preußen-Krimi liegt vor, und in dem geht es zunächst mal schnell zur Sache. Ein "schmucker Offizier", an Zweispitz, hellblauer Uniformjacke und roter Weste leicht als Flügeladjutant der Kavallerie zu erkennen, hat nur einen kurzen Auftritt auf einer Lichtung. Ein harter Schlag auf den Hinterkopf raubt ihm die Lebensgeister.

Damit weiß der Leser mehr als Charles Etienne Jordan, der Polizeipräfekt von Berlin. Der glaubt erst an ein Duell, dann an Selbstmord. Das wäre die einfachste Erklärung, schließlich hat das Opfer eine Schußwunde an der Stirn und die Pistole neben sich. Jordan, den es tatsächlich gab, pflegt lieber seine bibliophilen Neigungen, als dass er sich in die profanen Niederungen des Kombinierens begibt. Zum Glück darf ihm Honoré Langustier assistieren. Den hat der König gerade als zweiten Hofküchenmeister eingestellt und ihm eine Carte blanche zur Recherche ausgestellt. Wohl nach dem Motto, dass jemand mit so pfiffigen Rezeptideen wie Bouillabaisse avec Aiglefin et Rouget, Krustaten mit Lobster und Marcairetartuffeln oder Gugelhupf, beträufelt mit Holunder, auch in anderen Lebensfragen pfiffige Antworten weiß. Langustier, dieser aufgeweckte und rundum sympathische Elsässer, gehört zu den fiktiven Gestalten des Buches, die Tom Wolf für seinen Krimi erfunden hat. Gründlich würzt er die Handlung mit Details, die den Alltag im Charlottenburger Schloss widerspiegeln. Der König, so heißt es, bestellte vom Weckdienst schon mal ein nasses Tuch aufs Gesicht und rührte sich weißen Senf in den Kaffee.

Bevor Langustier des Königs Befehl "Finde er mir den Attaquanten" ausführen kann, geschieht ein neuer Mord. Diesmal trifft es Oberst Alexander von Marquardt. Wieder weiß der Leser mehr als die Polizei. Denn Tom Wolf hat ihm ja verraten, wer da in meuchelnder Absicht hinter dem Oberst herschleicht. Bevor der Mann, ein gewisser Heinrich Steffen, allerdings sein blutiges Handwerk ausführen kann, haben andere das für ihn erledigt. Nach einer turbulenten Szene findet sich der verhinderte Mörder gefesselt und geknebelt neben dem mausetoten Oberst.

Die Hofdame Wilhelmine von Hammerstein könnte womöglich Licht ins Dunkel bringen, aber ach, sie hat sich eigenhändig aufgeknüpft. Und welche Rolle spielt der geistig verwirrte Andersohn, der lange Jahre treuer Diener des Königs war? Er wusste, dass Friedrich II. aufgrund einer Quecksilbertherapie gegen Syphilis zeugungsunfähig war. War er deshalb in Ungnade gefallen? Ein gewisser von Schlütern, einst enger Freund von Andersohn dagegen, wird vom König begünstigt, obwohl er nicht eben eine redliche Person zu sein scheint. Fragen über Fragen. Bevor man sich einen Reim darauf machen kann, ist schon wieder eine Leiche fällig. Die Zimmerwirtin Emilie Auguste Stolzenhagen muss daran glauben, und von Schlütern wird von einer Kutsche überfahren, in dem - na, den kennt man ja schon - Heinrich Steffen, alias Baron von Steden, saß.

Über all den Namen - sogar Mathematiker Malpertuis, Baumeister Knobelsdorff und der große Voltaire geistern durch das Buch - verliert man den Überblick. Gewiss, der 1964 geborene Autor hat fleißig recherchiert und trifft in Stilistik und Wortwahl den Ton der Zeit. Zu Beginn ist das nicht ohne Reiz, vermag aber nicht auf Dauer zu fesseln. Allzuschwer lastet der Staub der Jahrhunderte. Der Spannungsfunke, mit dem ersten Mord entzündet, verglimmt.

Voltaire hatte Langustier den Rat gegeben, die Menüs für den König mild zu würzen, um so "die Sinne zu schärfen". Weder Meerrettich noch Senf. Große, scharfe Portionen davon aber hätten diesem Krimi gut getan.

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