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Berlin: Fische im Fahrstuhl

Spezialisten aus den USA montieren für das Hotel DomAquarée den weltgrößten Acrylzylinder

Unentwegt wieseln Bauleute auf dem Gerüst hoch und runter. Von weitem sehen sie alle gleich aus unter Helmen und Regenjacken; erst aus der Nähe ist Gerda Lange zu erkennen. Die 33-Jährige ist Architektin bei der Ingenieur- und Planungsgesellschaft Kappes-Scholtz und betreut zurzeit in der Funktion der Projektsteuerung eines der spektakulärsten Bauprojekte der Stadt: das 25 Meter hohe Aquarium im Hotelfoyer des künftigen „CityQuartiers Dom Aquarée“ nahe dem Schlossplatz.

Bauherr des 480-Millionen-Euro-Projektes ist DIFA, die Deutsche Immobilien Fonds AG. Ab Ende 2003 sollen Besucher von einem doppelstöckigen Aufzug aus den Fischen beim Leben, Lieben und Schwimmen zusehen können. Lippfische, Doktorfische, Nashornfische, Kaiserfische, Bodengucker-Makrelen und andere in Zusammenarbeit mit dem Berliner Zoo ausgewählte Arten sollen in das Becken ziehen. Die Fische sind bereits Vertragsbestandteil des Projektes. 2750 Tiere werden sich 900 000 Liter Salzwasser teilen und damit den größten Acrylzylinder der Welt bevölkern.

Der Kran lässt einen blauen Schrank durch die Öffnung im Dach schweben und setzt ihn rumpelnd im Zwischengeschoss der abenteuerlichen Einrüstung auf. „Reynolds Polymer Technology, Inc.“ steht auf dem Schrank. Er wurde aus Colorado, USA, eingeschifft und enthält Werkzeug für die Montage des Aquariums. Ein weltweit einmaliges Fertigungsverfahren soll dafür bürgen, dass die Bodengucker-Makrelen auch nach 20 Jahren nicht plötzlich ein Leck entdecken. Also wurde alles, was mit dem Aquarium zu tun hat, aus Colorado eingeschifft: Technik, Material, Leute. Auch Brian Cinquegrani, der ebenfalls den ganzen Tag lang auf dem Gerüst unterwegs ist. Brian Cinquegrani ist 57 und sieht mit seinem grauen Zopf aus wie einer, dessen Harley draußen vorm Saloon parkt, aber nicht unbedingt wie der Herr über die erdbebensichere Verfugung von 15 tonnenschweren Acrylglasteilen. In den Lärm der Baustelle hinein sagt Cinquegrani amerikanische Satze wie: „Ich bin stolz auf unsere Technologie und auf meine Leute. Die geben mir jeden Tag 110 Prozent.“ Gut, und was braucht man noch, um bis zu 22 Zentimeter dicke Platten perfekt miteinander zu verbinden? „Es hat was mit dem Materialmix und mit der Temperatur zu tun. Mehr sage ich nicht.“ Neun Monate lang bleiben Cinquegrani und ein knappes Dutzend seiner Leute in Berlin. Einen guten Teil dieser Zeit verbringen sie in den Klimakammern entlang der Fugen, deren Innenleben so geheim ist, dass selbst Gerda Lange keinen Blick darauf werfen darf. Die Übergänge zwischen den einzelnen Segmenten sind weder zu ertasten noch als Fugen erkennbar. Chefinstallateur Cinquegrani sieht die Kräne am DomAquarée von seiner Wohnung aus. Die Baustelle ist ein schwieriges Terrain für ihn, denn während seine Aquarien sonst der Zweck des ganzen Bauwerkes sind, muss er neben dem Berliner Dom inmitten einer anderen Großbaustelle werkeln, denn zum künftigen CityQuartier gehören auch Edelwohnungen, Hotel, Büros und Einkaufspassagen – alles entsteht fast gleichzeitig, und Cinquegrani hockt mittendrin. Im Juli 2003 soll das Aquarium fertig sein. Wohin er dann zieht, weiß er noch nicht. Vielleicht nach Saudi-Arabien. „Wenn die mitbekommen, was hier entsteht wollen sie es vielleicht auch haben – ein Stück größer als das Vorbild“, sagt Cinquegrani und stürmt wieder das Gerüst hinunter. Zurück bleibt Gerda Lange. Immerhin: Die Fische wird sie nicht füttern müssen. Das übernehmen ausgebildete Taucher.

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