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Fördermittel-Affäre in Brandenburg: Wirtschaftsminister Christoffers: „Ich bin kein Lügner“

In der Fördermittel-Affäre verteidigt sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers öffentlich. Er will einen Schlusspunkt setzen - angesichts der Ungereimtheiten ist dies aber aussichtslos.

Plötzlich brach es heraus. „Wir leben doch nicht in einer Monarchie oder in einem diktatorischen Regime!“, entfuhr es Ralf Christoffers (Linke), dem Wirtschaftsminister Brandenburgs. Der 57-Jährige wirkte ernsthaft fassungslos darüber, was man ihm und anderen Verantwortlichen zutraut. „Glauben Sie, dass jemand gegen Rechtspflichten verstößt, nur weil ein Minister das will? So funktioniert doch staatliches Handeln nicht.“ Es war seine große Pressekonferenz, der Moment der Selbstverteidigung. Er hatte sie einberufen müssen, weil in der Betrugs-Affäre um die Pleitefirma Human Bioscience (HBS) staatliches Handeln nicht funktionierte. Weil er selbst wegen der Zahlung von 3,2 Millionen Euro Fördermitteln trotz Hinweisen auf die Unseriosität der Firma immer mehr in Bedrängnis geraten war.

Der Saal im Ministerium war bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht nur Journalisten erschienen, auch Beobachter der Landtagsfraktionen und der Staatskanzlei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Schon vorher war klar, dass von dem Auftritt maßgeblich abhängen würde, ob es Christoffers gelingt, die Kontrolle wiederzugewinnen – womöglich sogar, ob er im Amt bleiben kann. Die Anspannung war Christoffers anzumerken, der nach der Wucht der Vorwürfe der letzten Monate angegriffen wirkte, tiefe Furchen im Gesicht hatte. In der Sache sagte er wenig Neues, blieb bei seiner Version und dabei: „Ich sehe keinen Grund und keinen Anlass zurückzutreten.“ Weder er persönlich noch sein Ministerium hätten die Förderbank (ILB) zur Auszahlung der Millionen gedrängt. Die ILB sei Herrin des Verfahrens gewesen. „Ich bin kein Lügner“, erklärte er, womit er Vorwürfe von CDU- und FDP-Opposition zurückwies.

Warum gezahlt wurde, obwohl seit Frühjahr 2012 detaillierte Hinweise auf Betrügereien vorlagen, die ILB im April selbst die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hatte? Die Hinweise seien im Prüfverfahren der ILB ausgeräumt worden, sagte er. Und dass HBS-Firmengründer J. in den USA schon 2004 wegen Förderbetruges verurteilt war? Das habe er erst kürzlich erfahren. Dass er bei der Wirtschaftsreise 2011 nicht die HBS-Fabrik besuchte, die gar keine war, wie ein RBB-Team jetzt herausfand, sondern mit J. in dessen Privathaus verhandelte? Das sei in den USA „üblich.“

Mehrfach wiederholte Christoffers, dass er „einen Schlusspunkt“ setzen wolle – was aber angesichts der Ungereimtheiten aussichtslos war. Noch am 25. September 2012 hatten Ministerielle etwa Christoffers für ein Gespräch mit HBS am Folgetag gebrieft: Da war von Geldflüssen nach Indien die Rede, fehlenden Informationen zur Zuverlässigkeit der HBS und nicht vorliegenden Bonitätsbestätigungen. Und davon, dass die ILB erst zahlen wollte, wenn die geförderten Gefriertrockner auch geliefert und gesehen worden seien. Am 28. September 2012 flossen – zwei Tage nach dem Ministertermin – die Millionen trotzdem. Die ILB habe ihre Position revidiert, sagte Christoffers dazu. Warum, habe die ILB zu erklären.

Regierungschef Dietmar Woidke unterstützte seinen Minister am Nachmittag demonstrativ. „Die Fragen sind im Wesentlichen beantwortet. Der Lügen-Vorwurf hat sich in Luft aufgelöst“, sagte Woidke. „Herr Christoffers hat mein volles Vertrauen.“ Am Montag folgt die Sondersitzung des Landtags. Für die Opposition ist die Affäre nicht ausgestanden: Nach CDU und FDP fordern jetzt auch die Grünen Christoffers Rücktritt.

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