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Das BER-Debakel wird für Berlin richtig teuer.

© dapd

Folgen des BER-Debakels: Berlin greift zum Rotstift

Streichen und strecken, ausgerechnet vor den Bundestagswahlen: Das könnte Berlin im kommenden Jahr bei den öffentlichen Investitionen bevorstehen. Eines aber wird dem Flughafen-Desaster vorerst nicht zum Opfer fallen: Klaus Wowereits Lieblings-Projekt, die neue Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Für die Berliner SPD ist es ein gefundenes Fressen, dass sich Christdemokraten und Liberale im Bund nicht einig sind, wie sie mit den Problemen des neuen Hauptstadt-Flughafens umgehen sollen. Raed Saleh, SPD-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, sprach am Donnerstag von „peinlichen Äußerungen der FDP“, aber auch von Unionspolitikern, dass der Bund für den Airport nicht finanziell einstehen solle. Wer so die Zahlungsunfähigkeit der Flughafengesellschaft (FBB) herbeirede, handle fahrlässig. „Bundeskanzlerin Angela Merkel muss sich zum Flughafen BER bekennen“, forderte Saleh. Immerhin hat sich gestern Abend nach der Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Rainer Bomba, eindeutig zum Hauptstadt-Flughafen bekannt.

Im Land Berlin gehen die Sozialdemokraten viel freundlicher mit der CDU um, die seit Dezember 2011 Juniorpartner im Senat ist. Der Bürgermeister und Innensenator Frank Henkel, gleichzeitig Landeschef der Union, wurde als Mitglied des FBB-Aufsichtsrats sogleich eingebunden in den Versuch, aus der Baustelle in Schönefeld in absehbarer Zeit einen funktionsfähigen Flughafen zu machen. Umgekehrt nimmt die CDU Rücksicht auf den Regierenden Bürgermeister und Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD). Als Berlins Regierungschef am Dienstag in der Senatssitzung über die bevorstehende FBB-Aufsichtsratssitzung infomierte, gab es keine hitzigen Diskussionen.

Video: Erst im September wird ein Eröffnungstermin bekannt gegeben

Die Agenda, die Wowereit benannte, ist koalitionsintern unstrittig: Die Flughafengesellschaft muss dauerhaft zahlungsfähig bleiben; der Senat muss im Zusammenspiel mit dem Abgeordnetenhaus klären, welchen Beitrag die öffentliche Hand zu den Mehrkosten leisten will. Außerdem muss ein Eröffnungstermin gefunden werden, der Bestand hat und Planungssicherheit gibt.

Einig sind sich die Regierungsfraktionen SPD und CDU auch, dass die zusätzlichen Lasten des Großprojekts ohne höhere Neuverschuldung gestemmt werden müssen. Mit dieser Forderung preschte der CDU-Fraktionschef Florian Graf vor. Die SPD zog nach. In einem parteiinternen Papier schrieb der Wirtschaftsexperte und SPD-Abgeordnete Thorsten Karge: „Sollte der Anteil einer Nachfinanzierung das Land Berlin zu stark belasten, dann muss über die Realisierung anderer Projekte gesprochen werden – möglicherweise müssen diese dann zeitlich gestreckt oder verschoben werden.“

Die Landesbibliothek werden die Sparbemühungen nicht treffen.

Eine mutige Position, die Finanzsenator Ulrich Nußbaum nach seinem Urlaub gern unterstützen wird. Durch glückliche Fügung wird der Berliner Haushalt am Jahresende voraussichtlich ein Polster von 150 Millionen Euro aufgebaut haben, das für die Senkung der Neuverschuldung genutzt werden kann. Ob das auch 2013 funktioniert, wenn die Mehrkosten des Flughafens zu Buche schlagen, ist aber ungewiss. Wenn nicht, kommt bei den öffentlichen Investitionen wohl der Rotstift zum Einsatz, und zwar nicht bei der neuen Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld, denn die wird frühestens ab 2016 gebaut. Sondern vielleicht beim Uni-Klinikum Charité oder dem Krankenhauskonzern Vivantes, bei Sanierungsvorhaben an der Deutschen Oper, der Technischen und Humboldt-Universität oder beim Olympiapark, bei Brücken- und Straßenbauten. Streichen und strecken – angesichts der Tatsache, dass 2013 nur 355 Millionen Euro in der Landeskasse für den Hoch- und Tiefbau zur Verfügung stehen, wäre das eine sportliche Übung – ausgerechnet vor den Bundestagswahlen.

Offen ist auch, ob der Flughafen Tegel noch Geld braucht, um bis ins nächste Jahr hinein funktionsfähig zu bleiben. Der innerstädtische Airport läuft längst auf Verschleiß und muss möglicherweise bis zum Winter 2013 in Betrieb bleiben. Am Montag beginnt das Abgeordnetenhaus nach der Sommerpause wieder mit der Arbeit. Die Opposition wird dann alle mit dem Flughafen verknüpften Stadtprobleme in den Fachausschüssen und ab Ende August im Plenum zur Sprache bringen, um die rot-schwarze Koalition zu treiben.

Noch wird auf dem Tempelhofer Feld gegärtnert - aber Wowereit will eine Landesbibliothek bauen:

Die Jagd beginnt am nächsten Donnerstag im vertraulich tagenden Beteiligungsausschuss. Hier soll es um die Kostenentwicklung gehen. Und der Opposition wäre es am liebsten, wenn sich der parlamentarische Untersuchungsausschuss schon am 7. September konstituieren könnte. Der vorläufige, elf Seiten starke Katalog für die Ausschussarbeit, auf den sich Grüne, Linke und Piraten geeinigt haben, umfasst 78 Fragen. „Wir klären nicht nur für Berlin auf, sondern auch für Brandenburg und den Bund“, sagte der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto. Beispielsweise sollen der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der Landrat des Dahme-Spree-Kreises, Stephan Loge (SPD) und Vertreter von Bundesbehörden vorgeladen werden. „Wenn das nicht klappt“, sagt Otto, „könnten der Landtag in Potsdam und der Bundestag notfalls eigene Untersuchungsausschüsse einrichten.“

In Brandenburg existiert bisher noch kein Untersuchungsausschuss. Die CDU hat allerdings für den kommenden Dienstag eine Sondersitzung des Landtags durchgesetzt. Dort wird sich Ministerpräsident Matthias Platzeck vor den Abgeordneten für die Verzögerungen rechtfertigen müssen.

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