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Berlin: Fragen statt klagen

Was läuft gut, wo geht was schief? Eine Umfrage ermittelt den wirtschaftsfreundlichsten Bezirk

400 Mitarbeiter backen in der Berliner Bahlsen-Fabrik Kekse: Schoko-Leibniz, Pick-up-Snacks, Weihnachtsgebäck. Noch ist das Gelände in der Tempelhofer Oberlandstraße groß genug. Doch Werkleiter Karl-Heinz Gnatzig denkt an die Zukunft: „Vielleicht können wir die Produktion bald ausweiten“, hofft er. Für die mögliche Erweiterung wollte er sich ein Brach-Grundstück sichern. Doch dem wollte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg nur gegen eine hohe Gebühr zustimmen. Bezirksbürgermeister Ekkehard Band sagt, dies sei wegen der mit der Reservierung verbundenen Wertminderung erforderlich gewesen. „Das war zwar vorschriftsmäßig, hat uns aber behindert“, hält Gnatzig dagegen. „Wenn die Erweiterung hier zu teuer wird, geht die Produktion an ein anderes Bahlsen-Werk.“

Ein Beispiel von vielen aus den Bezirken der Hauptstadt. Während der Senat um ausländische Investoren wirbt, fühlen sich viele Unternehmer von ihrer Bezirksbehörde gebremst. Auch die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HWK) werden fast täglich mit Klagen konfrontiert. Sie starten nun gemeinsam mit dem Tagesspiegel eine Umfrage unter Berliner Unternehmern, die den wirtschaftsfreundlichsten Bezirk ermitteln soll. Die Initiatoren wollen mit der Aktion einen Anreiz für alle Bezirke schaffen, ihren Service für Wirtschaftstreibende zu verbessern.

Berliner Unternehmer berichten von sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit Behörden. „Wir haben für ein sehr komplexes Bauvorhaben in Spandau alle erforderlichen Genehmigungen in nur sechs Monaten bekommen“, lobt Werner Drotleff, Geschäftsführer der Holzkontor Preussen GmbH. Seine Firma errichtet in Spandau ein Altholz-Aufbereitungszentrum. Schlagzeilen machen meist negative Beispiele. Nur wenige Fälle sind so spektakulär wie das umstrittene Riesenrad, das eine Investorengruppe für 60 Millionen Euro am Kreuzberger Gleisdreieck bauen will. Nach dem Einspruch der Bezirksverordneten war die Zukunft des Projekts offen. Jetzt hoffen die Investoren auf den Senat.

Vor allem Chefs kleiner Firmen ärgern sich über bürokratische Hürden. Christian Schulz ist Geschäftsführer der Hexenkessel und Strand GmbH, die das gleichnamige Theater und die Strandbar am Monbijoupark in Mitte betreibt. Wegen Lärmschutzes ordnete die Umweltbehörde an, das Freiluft-Theater müsse um zehn Uhr schließen. „Da hätten wir gleich dicht machen können“, sagt Schulz. Erst nach dem Eingreifen von Senat und Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) habe es eine Ausnahmegenehmigung für die „Kulturstätte überregionaler Bedeutung“ gegeben. Gastwirt Harald Schulz betreibt die Kneipe „HarDie’s“ am Wittenbergplatz. In den Räumen, die er im vergangenen Jahr übernahm, besteht seit über 40 Jahren eine Gastwirtschaft. In die Neueröffnung investierten Schulz und Partner nach eigenen Angaben 250000 Euro. „Ich stand von Beginn der Umbauarbeiten über Monate mit der Behörde in Kontakt, und kurz vor der Eröffnung wird mir mitgeteilt, dass ich keine Konzession kriege“, kritisiert Schulz.

Das zuständige Bezirksamt in Tempelhof-Schöneberg befand, die Toiletten seien nicht behindertengerecht. „Ich habe befürchtet, meine acht Mitarbeiter entlassen zu müssen“, sagt Schulz. „Die Genehmigung ist längst erteilt“, sagt dazu Bezirksbürgermeister Band. Doch das sei erst erfolgt, wendet der Gastwirt ein, nachdem er die „ZAK“ eingeschaltet hatte. Die „Zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für Unternehmen“ der Wirtschaftsverwaltung vermittelt in schwierigen Fällen.

ZAK-Mitarbeiter halfen auch Bahlsen-Manager Karl-Heinz Gnatzig, sich das benötigte Grundstück zu sichern. Wenn die Deutschen mehr Bahlsen-Kekse essen, werden die vielleicht bald in Berlin gebacken.

Mehr auf Seite 11. Umfragebögen gibt es von der IHK, der HWK und im Internet: www.tagesspiegel.de/Bezirksumfrage

Infotelefon der IHK: 030 – 315 10 274.

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