zum Hauptinhalt
Die politische Karriere von Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, begann in Neukölln.

© Kay Nietfeld/dpa

Ein „Wow“ zum Karstadt-Haus in Berlin-Neukölln: Franziska Giffeys Begeisterung für Planänderungen

Der Signa-Konzern will das Karstadt-Haus am Hermannplatz nun doch nicht abreißen. Die Bundesfamilienministerin zeigt sich davon angetan.

Es wird zur Tradition: Sobald sich politisch Verantwortliche dem Karstadt-Haus am Hermannplatz nähern, um über die Umbaupläne zu diskutieren, postieren sich Demonstranten in Sicht- und Hörweite. Sie lehnen den erstmals vor zwei Jahren verkündeten Abriss- und Neubauplan für das mehr als 90 Jahre alte Warenhaus ab. Das war auch am Freitag wieder so, als Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die für die SPD im Herbst als Regierende Bürgermeisterin gewählt werden will, am Hermannplatz anrückte. Sie glaubt, dass es für diesen Protest künftig keinen Grund mehr gibt.

Anlass für Giffeys Besuch war die Vorstellung der geänderten Pläne der Signa Gruppe des österreichischen Immobilieninvestors René Benko, der die Immobilie gehört – und auch Galeria Karstadt Kaufhof. Der Handelskette fehlen wegen der Pandemie die Kunden, sie hat daher bereits ein Bundesdarlehen in Höhe von 460 Millionen Euro erhalten. Und es könnte noch mehr werden.

Der Corona-Kummer und die stetige Kritik an der Geschäftspolitik von Signa sollen an den Investitionsplänen im Kern wenig ändern. Laut bisheriger Pläne will Signa rund 450 Millionen Euro in den Abriss und Neubau am Hermannplatz investieren. Äußerlich bleibt es beim Entwurf des Star-Architekten David Chipperfield, der sich an dem ursprünglichen Warenhausbau der späten 1920er Jahre orientierte.

Um diesen zu realisieren, hätten die Bauherren das mittlerweile sehr verschachtelte Haus, das schon sieben Bauabschnitte erlebt hat, komplett abreißen wollen. Das wäre wohl einfacher gewesen, der Platz wäre aber über viele Jahre eine Baustelle gewesen. Signas Fachleute haben also mehr als 300 Stellen Bohrkerne aus dem Beton entnommen. „Wir haben uns im vergangenen Jahr intensiv mit der bestehenden Bausubstanz des Warenhauses auseinandergesetzt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir bei der Neugestaltung des Projekts den Bestandsrohbau erhalten können. Einen Abriss können wir vermeiden“, sagte Timo Herzberg, Chef der Signa Real Estate Germany GmbH und im Vorstand der Signa Konzernholding.

Nachhaltige Bauweise soll Kritik entkräften

Das Projekt Karstadt am Hermannplatz werde so zu einem „internationalen Leuchtturmprojekt für nachhaltige Immobilienentwicklungen mit einer herausragenden CO2-Bilanz“, meint Herzberg. Man betreibe ein Modellprojekt, das den Umgang mit Bestandsgebäuden prägen werde und damit auch zukunftsweisend für den Städtebau sei.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Manager, ein gebürtiger Berliner, verwies auf die im März abgeschlossene Sanierung des einstigen Centrum-Warenhauses (später Kaufhof) am Ostbahnhof. Signa hatte auch diesen 70er-Jahre Bau entkernt und unter dem Namen „UP!“ vermarktet. Man habe dort wertvolle Erfahrungen gesammelt, sagt Herzberg. Signa spielt den Gästen einer Pressekonferenz auf der Terrasse des Warenhauses einen kurzen Animationsfilm vor, der die Pläne illustriert. Demnach wird die bestehende Fassade abgetragen, die Immobilie entkernt und das Stahlbeton-Rohbauskelett saniert. Die Aufstockung des Gebäudes solle in Holzbauweise realisiert werden. Die Architektur, die Signa „identitätsstiftend“ nennt, die die Kritiker aber besonders provoziert, werde mit Ziegeln neu interpretiert.

Um diesen Entwurf des Architekten David Chipperfield zu realisieren, will Bauherr Signa den bestehenden Karstadt-Bau entkernen und mit Holz aufstocken. Die Fassade soll nun mit Klinkersteinen gestaltet werden.

© Simulation: Signa/David Chipperfield Architects

Der britische Architekt Chipperfield, der unter anderem das Neue Museum und die James-Simon-Galerie realisiert hat, ließ schriftlich mitteilen: „Der Erhalt des Rohbaus fügt sich positiv in das Gesamtkonzept ein. Eine im Grunde altmeisterliche Herangehensweise – der Erhalt und die Ergänzung von Bestand – entpuppt sich als hochmodern und gesellschaftlich relevant.“

Bauherr Signa und der Architekt versuchen, ihren Kritikern also entgegenzukommen, indem sie das Projekt ökologisch und sozial nachhaltiger gestalten als ursprünglich geplant. „Die Entscheidung für eine Weiterentwicklung des Bestandsgebäudes ohne Abriss wirkt sich auf viele Bereiche der Projektentwicklung aus“, sagte Thibault Chavanat, der Projektleiter für Karstadt am Hermannplatz bei Signa. Auch die Verwendung des Baustoffs Holz wirke sich positiv aus – man produziere weniger Baulärm, da viele Teile vormontiert seien, man bekomme besseres Raumklima, bessere Recyclingfähigkeit. „Im Vergleich zu einem Abriss und einem konventionellen Stahlbeton-Neubau können wir allein in der Bauphase bis zu 70 Prozent CO2-Emissionen einsparen!“, sagte Chavanat.

Durch den Verzicht auf einen Abriss werde sich auch der Lkw-Verkehr durch den geringeren logistischen Aufwand um 60 Prozent verringern.

„Da können wir einfach nur sagen ‚wow‘, oder?“

Ein historisches Fragment von 1929, das den Krieg überstand, werde denkmalgerecht saniert und stehe zukünftig zu 100 Prozent für gemeinwohlorientierte Nutzungen, wie zum Beispiel für lokale Initiativen und Vereine, Künstler, für Soziales und Bildungsangebote, für Familien oder für Kinder, zur Verfügung, beteuerte Signa. Diese Flächen – insgesamt 3600 Quadratmeter – werden zu „bezahlbaren Mieten“ angeboten. Mit dem Kitaträger „Sprache Verbindet IB“ aus Neukölln habe Signa zudem eine Zusammenarbeit vereinbart, um einen Kindergarten in das Projekt zu integrieren.

„Da können wir einfach nur sagen ‚wow‘, oder?“, sagte Franziska Giffey, deren politische Karriere als Bürgermeisterin in Neukölln begann. 2017 habe sie erstmals mit Signa-Manager Herzberg über die Karstadt-Pläne beraten. „Ich meine, das ist wirklich großartig, was hier heute präsentiert wird. Das ist Zukunft, das ist beste Wirtschaft, das ist gute Arbeit“, schwärmte Giffey. Ihr gefalle auch, dass Herzberg von einem „Weg zu einem neuen Lieblingsort“ gesprochen habe. Auch ihr Parteifreund und Nachmieter im Neuköllner Bürgermeisterbüro, Martin Hikel, sagte, er sei „sehr beeindruckt“ von den modifizierten Plänen.

Der Schönheitsfehler an Signas Präsentation: Weder Giffey noch Hikel sind zuständig für das Projekt, sondern die Verwaltung für Stadtentwicklung von Sebastian Scheel (Linke) und allenfalls noch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Auf dessen Gebiet steht das Warenhaus – direkt an der Grenze des Neuköllner Hermannplatzes. Doch Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sei für ihn nicht zu sprechen, sagte Projektleiter Chavanat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false