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Im vergangenen Jahr wurde in Berlin 23.774 Spatzen gezählt.

© picture alliance/dpa

Haussperlinge sind klarer Favorit: Freiwillige zählen wieder Vogelarten in Berlin

In Berlin werden bis Sonntag wieder Vögel in Parks und Gärten gezählt. Aber nicht jede Vogelart wird auch in die Statistik übernommen.

Der große Favorit hat eine gedrungene, kräftige Figur, er besitzt einen auffallend großen Kopf, jedenfalls im Verhältnis zu seinem Körper. Er genießt das Leben in den Außenbereichen von Lokalen und gilt als sehr gesellig. Er fällt selten durch aggressives Verhalten auf, und ein Gourmet ist er sicher nicht. Er ist beim Essen alles andere als wählerisch, eigentlich nimmt er alles, was für ihn schmackhaft ist.

Und schmackhaft sind für den Haussperling zum Beispiel Weizen-, Gersten- oder Haferkörner. Aber wer sagt schon Haussperling? Üblicherweise wird der Singvogel als Spatz bezeichnet. „Er wird wahrscheinlich auch in diesem Jahr klar gewinnen, so wie im vergangenen Jahr“, sagt Janna Einöder, die Pressereferentin des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin.

2020 haben ehrenamtliche Mitarbeiter bei der jährlichen Vogelzählaktion des Nabu – eingebettet in eine bundesweite Zählung – in Berlin 23.774 Spatzen gezählt. Am Donnerstag hat die Zählung 2021 begonnen, sie dauert bis Sonntagabend.

Einöder rechnet damit, dass diesmal noch mehr Helfer Strichlisten führen als 2020.

Da hatten 5659 Bürger in Gärten, Parks und auf den Balkonen gezählt. Die Prozedur ist einfach: Jeder, der mitmacht, soll eine Stunde lang die jeweils höchste Zahl an Exemplaren notieren, die von einer Vogelart gesichtet werden, also zum Beispiel: zehn Amseln, zwölf Stare, fünf Kohlmeisen. Dadurch sollen Doppelzählungen vermieden werden.

Die Aktion soll die Verbindung zur Natur stärken

Das Ganze hat natürlich keinen wissenschaftlichen Charakter, das betont Einöder, die Aktion hat ein ganz anderes Hauptziel. „Wir wollen mit der Zählung auch eine emotionale Verbindung der Menschen mit der Natur herstellen“, sagt sie. „Jeder kann mitmachen, ob Profi oder Laie.“ Informationen über die einzelnen Vogelarten erhält man im Internet, zum Beispiel unter www.nabu.de.

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Die Pandemie hilft dem Nabu ganz enorm bei der Zählung von Spatzen, Staren, Mauerseglern und anderen Vögeln. „2020 hatten wir doppelt so viele Menschen, die mitgemacht haben, wie 2019“, sagt Einöder. Eine Folge des Lockdowns. „Die Leute saßen oft zu Hause und hatten nichts zu tun. Außerdem stellen wir in der Pandemie fest, dass wir einen enormen digitalen Zugriff auf Naturthemen haben.“

Die Mauersegler kamen rechtzeitig zur Zählung aus Afrika zurück

Bei der Zählung 2021 werden viele Helfer die Zahl von Mauerseglern notieren können. Sie kamen später als sonst, aber noch rechtzeitig aus Afrika zurück in ihre Brutgebiete. 2020 lagen sie in der Rangliste der Zählung auf Platz drei, hinter den Staren.

Auch wenn die Dokumentationen der Ehrenamtler keinen wissenschaftlichen Ansprüchen standhalten, bedeutsam sind sie für die Ornithologen trotzdem. „Man kann Tendenzen erkennen“, sagt Einöder. Sind Bestände stabil oder gefährdet? Haussperlinge sind bundesweit auf der Vorwarnliste, in Berlin aber sind die Bestände noch stabil, weil sie hier genügend Nahrung und Brutplätze finden.

„Auch der Bestand an Mauerseglern ist stabil“, sagt Nabu-Vogelexpertin Imke Wardenburg. „Es gibt zwischen 18.000 und 24.000 Brutpaare.“ Mauersegler verbringen fast ihr gesamtes Leben in der Luft. Wer nicht brüten oder füttern muss, steigt abends in hoch in die Luft und bleibt über Nacht dort. Mauersegler schnappen in der Luft nach Nahrung und Nistmaterial.

Sanierungen gefährden die Brutplätze von Mauerseglern

Aber nicht mal sie können in der Luft brüten. Sie benötigen Höhlen oder zumindest Löcher in Gebäuden. Die statten sie minimal mit Nistmaterial aus. „Das Problem“, sagt Wardenburg, „ist die Sanierung von vielen Gebäuden. Dabei werden viele der Nistplätze der Mauersegler aufgefüllt." Doch je mehr Häuser saniert werden, umso weniger Alternativen finden die Vögel. „Deshalb“, sagt Imke Wardenburg, „ist zumindest die Tendenz bei ihnen rückläufig.“

Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt zwar zwingend vor, dass Brutplätze von Höhlenbrütern geschützt werden müssen. „Aber viele Architekten wissen das gar nicht“, sagt Wardenburg. „Das wird halt im Studium nicht gelehrt.“ Der Nabu organisiert Führungen für Architekten und Mitarbeiter von Wohnungsbau-Genossenschaften und -Gesellschaften, das lindert die Problem etwas. „Außerdem rufen besorgte Bürger bei uns an, wenn sie merken, dass Brutplätze in Gefahr sind“, sagt Wardenburg. „Die Menschen sind emotional mit den Vögeln verbunden.“ Der Nabu informiert dann die Untere Naturschutzbehörde und hofft, dass dadurch die Bruthöhlen geschützt bleiben.

Die Rauchschwalbe ist in Berlin gefährdet

Aber wirklich gefährdet in Berlin ist die Rauchschwalbe. In Berlin wird der Bestand auf 700 bis 900 Brutpaare geschätzt, der Trend ist zudem rückläufig. Die Rauchschwalbe ist auf der Berliner Roten Liste in die Kategorie 3 (gefährdet) eingestuft.

„Auch die Mehlschwalbe, von der es in Berlin noch rund 3500 bis 4500 Brutpaare gibt, ist deutschlandweit auf der Vorwarnliste. Auch in Berlin sind die Bestände rückläufig“, sagt Wardenburg. Es fehlt an genügend Insekten, zudem finden Mehlschwalben immer weniger offene, unversiegelte Bodenstellen. Die benötigen sie aber, sie brauchen Lehm zum Nestbau.
Die wohl spannendste Frage bei der Aktion 2021 lautet aber nicht: Wer wird gewinnen? Sondern: Wie viele Blaumeisen werden gezählt? 2020 war der Bestand in Berlin (4745) gegenüber 2019 um rund 25 Prozent geschrumpft. „Suttonella ornithocola“ war dafür verantwortlich, ein Bakterium, das im Frühjahr 2020 eine Epidemie auslöste. Niedersachsen dokumentierte 2020 noch dramatischere Zahlen als die Hauptstadt.

Ein naturnaher Garten bietet besonders viel Nahrung für Jungvögel

Vogelkrankheiten werden besonders an Futterstellen und Trink- und Badeschalen übertragen. Daher rät der Nabu, Futter- und Badestellen zu entfernen, sobald dort mehr als ein kranker Vogel beobachtet wird. Erst wenn kranke Vögel genesen oder gestorben sind, kann wieder gefüttert werden. Üblicherweise nach drei bis vier Wochen.

Damit betroffene Bestände sich möglichst schnell wieder erholen können, ist es nach Angaben des Nabu wichtig, den überlebenden Vögeln gute Bedingungen für die Brutzeit zu bieten. Ein naturnaher Garten bietet besonders viel Nahrung für die Jungen. Auf der Nabu-Homepage gibt es entsprechende Informationen.

Doch nicht jede Vogelart, die aufmerksame Helfer notieren, wird vom Nabu auch tatsächlich in seine Statistik übernommen. Die Info muss schon einigermaßen plausibel sein. 2020 meldete ein Beobachter einen ganz besonderen Vogel in seinem Garten. Der Nabu sah die Info und entschied dann: kann nicht stimmen. Seeadler gibt’s nicht in Berlin.

Beobachtungen können online unter www.stundedergartenvoegel.de gemeldet werden oder per Post oder Telefon unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1157115, am Sonnabend, 15. Mai, von 10 bis 18 Uhr. Gemeldet werden kann auch mit der kostenlosen Nabu-Vogelwelt-App, erhältlich unter www.nabu.de/vogelwelt.

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