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Berlin: Friedrichs letzte Reste

Die Suche nach Spuren Friedrichs des Großen ist nicht immer einfach. Sie führt sogar in Berlins Randzonen Und auch seine Denkmäler waren zeitweise erwünscht: Sie verschwanden – und wurden doch gerettet.

Nicht überall, wo Friedrich draufsteht, ist auch Fritz drin. Friedrichstadt, Friedrichsfelde, Friedrichswerder, Friedrichsgracht, selbst die drei Friedrichstraßen der Stadt – Fehlanzeige. Alle sind sie nach diesem oder jenem Friedrich der Hohenzollern-Dynastie benannt, nie nach Friedrich II., obwohl man ihn doch den Großen nennt. Friedrichshagen, Friedrichshain, Friedrichsbrücke – mehr namentliche Reminiszenzen an den vor 300 Jahren geborenen König gibt der Stadtplan nicht her.

Majestät müssen sich dennoch nicht grämen, dass sie in Berlin nicht mehr präsent genug sei. Man stößt auf Spuren noch im hintersten Winkel, beispielsweise in Friedrichshagen, und bei Bedarf erinnert man sich des Alten dort recht gern. Das war nicht immer so: Als der Ortsteil 2003 sein 250-jähriges Bestehen feierte und ein neues Denkmal des Gründers spendiert bekam, Ersatz für die von 1904 bis 1945 auf dem Marktplatz wachende Statue, fand das nicht ungeteilte Zustimmung: „Menschenschinder“, „Massenmörder“ schimpften einige – klarer Fall von Majestätsbeleidigung. Bei den Protesten gegen die geplanten Flugrouten über den Müggelsee jedoch wird der König gern als Schutzpatron bemüht: „Alle meine Nachfolger sollen dafür Sorge tragen, dass Friedrichshagen befriedet und geschützet werden möge“, wurde er bei einer Montagsdemo am Denkmal zitiert und heftig beklatscht – eine freilich den modernen Zeiten angepasste Mahnung: Das am 29. Mai 1753 vom König gegründete Kolonistendorf hieß zunächst Friedrichsgnade und erhielt seinen endgültigen Namen erst zehn Jahre später.

Noch im tiefsten Kladow stößt man auf Friedrich, diesmal nicht den Stadtentwickler, sondern den Feldherrn. Man fahre auf dem Ritterfelddamm Richtung Potsdam, vorbei an Wiesen und Kleingärten. Plötzlich ragt zur Rechten ein Erdwall auf, gekrönt von Wohnhäusern, Lauben, Bäumen. Der rätselhafte Hügel gehört zu einer Übungsanlage, an der Friedrich seine Soldaten das Siegen trainieren ließ. Der Ritterfelddamm bildet auf 350 Metern ihre hintere Grenze, an den Flanken erhoben sich die spitzwinkligen Bastionen, wie üblich und auch an der Zitadelle Spandau zu sehen, durch eine Courtine verbunden, mit vorgelagertem Außenwerk, dem Ravelin. Auf dem Stadtplan ist die denkmalgeschützte Anlage noch halbwegs zu erkennen: Der Winkel, den der Grüne Wall beschreibt, markiert die Spitze des Ravelins, die Straße An der Bastion die nordwestliche der beiden Flankenstellungen. Die Anlage wurde auf königlichen Befehl um 1752 vom Kommandeur des Ingenieurkorps, Johann Friedrich von Balbi, gebaut. Man weiß von einem großen Manöver im September 1753 mit 36 000 Soldaten, das offenbar nicht nur die Kampfkraft erhöhen sollte. Friedrich tat alles, dass auch fremde Gesandte davon erfuhren, ließ das Gelände aber von Husaren weiträumig sperren, was die Neugier nur erhöhte. Auf seine Anweisung hin veröffentlichte Balbi einen Bericht. Teilweise parodierte der Bericht eine Truppenschau Augusts des Starken 1730, an der Friedrich als Kronprinz teilgenommen hatte. Einziger Zweck der Schrift: Täuschung des Feindes.

Die Spuren des Jubilars werden naturgemäß immer dichter, je näher man dem Zentrum kommt. Östlich des Schöneberger Dorfkerns etwa ließ der König im Jahr 1750 böhmische Weber ansiedeln, was den Einheimischen gar nicht recht war. Erst 1874 schlossen sie sich mit den Ex-Migranten zur Gemeinde zusammen. Es war also nur recht und billig, dass man die Kolonnaden der unter Friedrich über den Festungsgraben gebauten Königsbrücke nach deren Abriss 1910/11 an den Rand des alten Böhmendorfs am heutigen Kleistpark versetzte, quasi als Denkmal, wenngleich es kaum so gedacht war.

Zu Friedrichs Zeiten war das noch nicht Berlin, sondern „jwd“, ähnlich wie Schloss Charlottenburg, dem er den Ostflügel anbauen ließ, oder das 1748 gestiftete Invalidenhaus für die Kriegsversehrten. An der Scharnhorststraße stehen noch zwei originale Seitenflügel, genutzt vom Bundeswirtschaftministerium. Auch der heutige Friedrichshain lag damals noch vor den Stadttoren, es gab dort einige Windmühlen. Beschlossen wurde die erste kommunale Parkanlage Berlins 1840. Anlass war Friedrichs 100. Thronjubiläum, schon damals sahen die Bürger in ihm einen Verbündeten im Kampf um ihre Rechte. Klar, dass auch ein Denkmal her musste, gestiftet 1848 von einem Schneidermeister. Bei den Trümmerarbeiten 1950 verschwand es, 1997 wurden Sockelreste wiederentdeckt, und seit Frühjahr 2000 blickt die rekonstruierte Büste erneut über den Friedrichshain.

Der Boulevard Unter den Linden musste damals noch einige Monate ohne Ross und Reiter auskommen, eine Grundsanierung des von Christian Daniel Rauch geschaffenen Denkmals war fällig geworden. Entstanden war es ebenfalls anlässlich des 100. Thronjubiläums. Den Ort hätte man nicht besser wählen können: auf den Mittelstreifen der Linden, im Zentrum des Forum Fridericianum. Gewiss, auch der Gendarmenmarkt wäre möglich gewesen, erst Friedrich hatte ihm sein Gepräge gegeben, samt den Schmuckbauten des Deutschen und des Französischen Doms. Aber der Alte Fritz Unter den Linden, umgeben von den wichtigsten steinernen Zeugnissen seiner Herrschaft – das war nicht zu toppen: das Kronprinzenpalais, das Prinz-Heinrich-Palais, Wohnsitz seines Bruders und heute Hauptgebäude der Humboldt-Uni, die Staatsoper und gleich gegenüber die Königliche Bibliothek, Kommode genannt, schließlich die St. Hedwigs-Kathedrale.

Gut, dass der stolze Reitersmann nicht wie Kaiser Wilhelm I. eingeschmolzen wurde. Die Gefahr bestand: Den Krieg hatte das zur Sicherheit eingemauerte Denkmal schadlos überstanden, erst 1950 wurde es freigelegt, zum Park von Sanssouci transportiert und hinter einem Bretterzaun zunächst achtlos abgelegt. Der SED-Bezirkssekretär für Berlin wollte es dann doch noch einschmelzen lassen; nur durch heimlichen Umzug im Park und gefälschte Verschrottungsdokumente habe sein Ministerium das Werk gerettet, so behauptete 1991 der frühere DDR-Kulturminister Hans Bentzien.

Erst 1961 durfte Friedrich endlich wieder aufs Pferd, ritt nun für fast zwei Jahrzehnte im Park von Sanssouci, bis er den DDR-Oberen nun doch als vorzeigbar galt und 1980 zurück auf den Boulevard Unter den Linden zog. Honecker & Co. konnten ja nicht ahnen, dass sich die Ost-Berliner wenig später darauf ihren Reim machen würden: „Lieber Friedrich, steig hernieder und regiere Preußen wieder! Lass in diesen schweren Zeiten lieber unsern Erich reiten!“

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