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Das Croissant aus dem "Du Bonheur" liegt in unserem Test ganz vorne.

© Michele Galassi

Frühstücks-Klassiker: Hier gibt es Berlins beste Croissants

Innen weich, außen kross, gemäßigt krümelig, mit freundlicher Süße: Das beste Croissant der Stadt gibt es in der Brunnenstraße.

Wenn eine Legende kursiert, ist bereits viel gewonnen. Sollten es aber gleich mehrere sein, die um die Aufmerksamkeit des Publikums wetteifern, kann man ein Lebensmittel als kanonisiert betrachten. Beim Croissant ist das der Fall. In gleich drei Städten soll das Gebäck aus Mehl, Butter, Zucker, Hefe und manchmal Milch erfunden worden sein.

Wien, Paris und Budapest wären natürlich würdige Geburtsorte, doch seine Entstehung verdankt der Wickel aus Plunderteig wohl eher einer ganz bestimmten Zeitstimmung. Im Fin de Siècle dürfte er viele Mütter und Väter in verschiedenen Städten gehabt haben.

Dass das Croissant nicht im Elternhaus des 19.Jahrhunderts stecken geblieben ist, hat mit seiner Aura zu tun. Trotz beträchtlicher Kaloriensubstanz verkörpert es unverdrossen die Leichtigkeit des Lebens. Mit ihr wandert die Sehnsucht in ein besonntes Straßencafé, an die prachtvolle Theke einer Patisserie oder aber zu einem Stand im Hauptbahnhof, wo die Enden von Wiener Würstchen zwischen den Teigschichten hervorlugen.

Selbst absurde Füllungen oder Überkrustungen vom Fußgängerzonenrandgebiet vermögen seine Würde nicht grundsätzlich zu erschüttern. Unter den üblichen Teilchen in den Auslagen behauptet sich das braune Hörnchen als Verbeugung vor dem Wertvollen.

Gerade deshalb war es notwendig geworden, einmal nachzusehen, wie es in Berlin um das Croissant bestellt ist. Es traf sich gut, dass die Juryvorsitzende Mira Koretzky von ihrer bisherigen Lebensreise, die sie von Moskau über Tel Aviv in die deutsche Hauptstadt führte, nicht nur Sachverstand, sondern auch eine fröhliche Unvoreingenommenheit mitgebracht hat.

„The Great Russian Brunch“

Seit sie mit dem Tagescafé „Cookies und Co.“ im Norden Prenzlauer Bergs Fuß gefasst hat, gehört sie nicht nur wegen ihres ganz außergewöhnlichen Backwerks, sondern auch wegen „The Great Russian Brunch“ zu den wirklich originellen Gastgeberinnen der Stadt.

Beim Croissant-Test mit Mira Koretzky
Beim Croissant-Test mit Mira Koretzky

© Kai-Uwe Heinrich

Aber auch sie musste erfahren, dass der Augenschein bei der Beurteilung wenig hilft. Sowohl die Croissants aus der „Back-Factory“, von „Aldi“ (das mit einem Anflug von Zimt auf Weihnachten vorbereitet) und „Lidl“ sowie „Schäfer’s“ besitzen ein Äußeres, das Jurymitglied Markus Otto Graf als geradezu schulmäßig französisch bezeichnete.

Umso erstaunlicher sei, sagte Graf, früher Chefpatissier bei Sternekoch Jörg Müller auf Sylt, dass es schmecke, als wälze er Papier im Mund, geschmacklich sozusagen ein unbeschriebenes Blatt. Reichlich Hefe, etwas Süße, hinter der sich Salz versteckt, wird beim preiswerten „M&M Back“ von einer klassisch neutralen Art aufgezehrt. Volumen versus Geschmack heißt es dann beim wie ein Ballon aufgeplusterten „Steinecke“-Croissant. Letzterer verliert.

Knusprig, fluffig, aber eng umgrenzter Buttergeschmack

Eher einem säuerlichen Milchbrötchen ähnelte das helle, dazu noch feste „Endorphina“, während das brotige „Tillmann“ immerhin knusprig und fluffig war, allerdings mit eng umgrenztem Buttergeschmack. Mira Kopetzky fühlte sich beim Bio-Exemplar von „Fahland“ an Panettone erinnert und bei der teigigen Massenware von „Jean de Pierre/Délifrance“ in erster Linie an gesalzene Hefeflocken.

Die vor 120 Jahren in Schöneberg gegründete „1. Rheinländische Bäckerei“ Mälzer beharrt mit ihrer recht trockenen Variante auf ordentlich Salz und wenig ausgeprägten Rindenschichten. Butter kommt bei diesem deutschen Typ erst im Abgang vor.

In die Liga, die das Hörnchen kompakter und schwerer interpretiert, gehören auch die „Hofpfisterei“, „Manufactum“ und „Seitz“. Während die sparsam gebutterten „Öko-Bamberger“ aus München einen leicht bierig-säuerlichen Eindruck hinterließen, schob Manufactum unerwartet die Butter nach vorne. Dennoch bemängelte die „Cookies“-Inhaberin, dass der Teig nicht gut aufgegangen sei und es die Schichten schwer hätten, sich voneinander zu lösen. „Das ist Brot“, sagte sie nach dem ersten Biss ins Werk von „Zeit für Brot“.

Unsere Testerinnen und Tester
Unsere Testerinnen und Tester

© Kai-Uwe Heinrich

Bei Feinbackwaren fallen nicht nur grobe, sondern auch ganz feine Unterschiede ins Gewicht. Bei „Backhaus“ erschien die Verbindung von Hefeteig mit den durchaus üppigen Butterschichten nicht ganz gelungen. Mira Koretzky vermutete, dass das Butterreinfett-Aroma von einer Gärphase in zu warmem Milieu herrühren könnte. Das ebenfalls relativ feuchte Seitz dagegen setzt dem Splitterbrötchen ein Denkmal.

Dem Croissant als feinerer Butterstulle wird „The Bread Station“ mit saftigem Butter-Karamell gerecht, die weniger individuellen Vertreter von „Galeries Lafayette“ und „Albatross Bakery“ dafür mit klassischer Krume und schöner Blätterung.

Buttrig-dicht: ein teutonischer Konter

Die Produkte von „Christa Lutum“ und „Brotgarten“ stellen eine buttrig-dichte Mischung aus Textur und Geschmack als teutonischen Beitrag gegen die dezidiert gallischen „Aux Delices Normands“ und „Aux Merveilleux de Fred“ ins Feld – mit unentschiedenem Ausgang. Über Ländergrenzen hinweg eint sie eine verblüffende Brandt-Zwieback-Assoziation.

Was ein Croissant zu bieten hat, sollte im Nu erkennbar werden. Es handelt sich um eine der besten Gelegenheiten, die kulinarische Intuition auf die Probe zu stellen. Damit die Überprüfung der Reflexe gelingt, sollte es mindestens die Qualität von „Soluna“ besitzen. Schon beim Kauen des ersten Bissens kommt eine freundliche Süße auf, die in diesem gleichmäßig feinporigen Briochetyp von unauffälligem Salz beschattet wird.

Am besten warm aus der Tüte

Genauso natürlich, also ohne jeglichen Butaris-Einschlag wirkt das auf den ersten Blick als Patisserieerzeugnis erkennbare „Lenôtre“. Am besten verschlingt man es noch in der Feinschmeckeretage warm aus der Tüte. Obwohl einer der wichtigsten Patissiers Berlins aus Platzgründen französische Teigrohlinge bezieht, kamen die kleinformatigen Halbmonde von „Les Pâtisseries de Sébastien“ der Juryvorsitzenden nahezu perfekt vor. Sie sind innen weich, außen kross, gemäßigt krümelig und vor allem ausgestattet mit einem vollen Aroma, das von Hefeteig über Butter bis zu ein wenig auch salzigem Karamell reicht.

Sébastiens Wettbewerbsbeitrag sah wie der sichere Sieger aus – wenn da nicht Anna Plagens wäre. Die bronzen gefärbte Deluxe-Skulptur, die die im Elsass ausgebildete Chefin von „Du Bonheur“ fertigt, sorgte für einen Moment der Stille im „Cookies & Co.“, denn bereits die innere Kohärenz ist staunenswert. Sie geht weit über die persönlich gehaltene Kristallisation eines Stereotyps hinaus und lässt den flaumigen, rösch gebackenen Butterteig erscheinen wie eben erfunden.

In dieser Form stellt das Croissant auch einen Protest gegen den Prozess einer fortschreitenden Konventionalisierung unserer Backwaren dar – allein das wäre schon Stoff genug für eine neue Legende.

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