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FÜNF  MINUTEN  STADT: Fascho Week

Ganz unvermittelt tropft er in mein Blickfeld. Seine Bewegungen in sich nicht stimmig, als müsste er sich erst noch an sich selbst gewöhnen.

Ganz unvermittelt tropft er in mein Blickfeld. Seine Bewegungen in sich nicht stimmig, als müsste er sich erst noch an sich selbst gewöhnen. Die Augen unruhig, flackernd. Der ganze Körper ein Lauern. Die Hände in den Hosentaschen schreitet er den Bahnsteig ab, Mollstraße/Otto-Braun-Straße, eisiges Warten auf die M6, längste Tramlinie der Stadt, Zug Richtung Platte. Er, Typ Nahkampfspezialist mit Rechtsdrall, mustert die zukünftigen Fahrgäste. Der General, die erste Einstellung eines Kriegsfilms. Murmelnd. Tonlos springen die Worte von seinen aufgerissenen Lippen. Er bleibt stehen, unmittelbar vor mir. Ihm fehlt ein Schneidezahn. Er nimmt mich in Augenschein. Vom Bordstein zur Skyline. Und zurück. Schließlich bleibt der Blick an meiner Hose hängen, besonderes Modell, gegen jede Norm geschnitten. Vor allem aber stechen die weißen Knöpfe hervor. Das ist es, was ihn zu irritieren scheint. Angewidert spuckt er die Worte aus, mühelos überwinden sie den wenigen Abstand, der noch war zwischen uns. „Mach’ doch mal den Hosenstall zu!“ Astreine Stilkritik. Die Verachtung dreht ihn von mir weg. Er geht, nur ein paar Schritte. „Das muss so“, sage ich, zeige auf die Knöpfe, lächle, als wollte ich ihn als Nächstes nach seiner Telefonnummer fragen. Natürlich kommt er zurück, sein Gesicht diesmal noch näher. Ein Schneidezahn nur. „Sag’ mal“, sagt er, „belauschst du mich etwa?“ Sofort ist uns beiden klar: In einem Spiel ohne Regeln hat er soeben einen Sieg errungen. Lucas Vogelsang

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