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Kurzer Draht zu Spendern. Gesine Gernand (links) und Manuela Schulz betreiben Fundraising bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

© doris spiekermann-klaas TSP

Fundraising: Werben und Erben

Bei der Suche nach Spendern setzen immer mehr Organisationen auf professionelle Fundraiser. Die sammeln Geld nicht auf der Straße.

Gesine Gernands Beruf ist es, Geld für einen guten Zweck zu sammeln. Doch dafür zieht sie nicht mit einer Spendendose durch die Stadt. Gernand ist Fundraiserin bei Amnesty International und arbeitet vom Schreibtisch aus. Wie alle anderen hauptamtlichen Mitarbeiter der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation hat sie ihr Büro im neu bezogenen Gebäude in Mitte – zwei Etagen belegen die etwa 100 Amnesty-Mitarbeiter im früheren Postgebäude an der Zinnowitzer Straße. Auf Gernands Schreibtisch liegen Prospekte und Informationsmaterial der Menschenrechtsaktionen. „Ich bin für die Spenderbriefe zuständig.“ Diese verschickt sie mehrmals im Jahr an die rund 25 000 Mitglieder und rund 90 000 Förderer, berichtet über die Aktivitäten und ruft zu Spenden auf.

Amnesty nimmt aus Gründen der politischen Unabhängigkeit keine staatlichen Gelder an und ist mehr als andere Non-Profit-Organisationen von privaten Spenden abhängig. „Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist es, ein komplexes Thema wie zum Beispiel das neue Waffenhandelsabkommen auf eine verständliche und eingängige Ebene herunterzubrechen“, erklärt Gernand. Ein Fundraiser solle eine „gute Schreibe“ mitbringen und kommunikationsfreudig sein. Vor allem gilt: Nur wer sich mit dem Thema der Organisation identifiziert, kann erfolgreich sein. Für die 43-Jährige, die Ethnologie und Religionswissenschaften studiert hat, gehören Menschenrechte zu ihren Grundüberzeugungen. Zum Fundraising kam sie eher zufällig. Zunächst betreute sie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer kleineren Organisation. Wie die meisten Kollegen ihrer Berufsgruppe ist sie eine Quereinsteigerin.

Wie viele Fundraiser es in Deutschland gibt, ist unklar, denn die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. 1300 Spendensammler sind im Fundraising-Verband organisiert, der am heutigen Donnerstag mit einer Gala sein 20-jähriges Bestehen feiert und als Netzwerk fungiert. Außerdem „möchten wir eine Kultur des Gebens fördern und das Thema Spenden noch stärker in der Gesellschaft verankert sehen“, sagt Sprecherin Nicole Holtz.

Rund 4,2 Milliarden Euro spenden die Deutschen jedes Jahr, die Summe ist seit langem konstant. Doch immer mehr Institutionen wollen davon profitieren. „Früher gab es weniger spendensammelnde Organisationen“, sagt Gernand. Heute konkurrieren internationale Organisation wie Amnesty oder Greenpeace mit lokalen Vereinen und Nachbarschaftsinitiativen. Und Fundraising beschäftigt auch Einrichtungen, die früher nicht auf Sponsoren angewiesen waren – darunter Krankenhäuser, Pflegestätten, Kitas, Jugendeinrichtungen und Tierheime. Denn der Staat zieht sich zunehmend aus der Finanzierung öffentlicher Aufgaben zurück. „Dass immer mehr Organisationen und Einrichtungen auf Spenden angewiesen sind, macht es schwieriger, neue Spender zu gewinnen“, sagt Gernand. All das hat zur Professionalisierung der Branche geführt. Die Spendeneintreiber werden kreativer: Sie nutzen zum Beispiel Verkaufsportale im Internet, veranstalten Charity-Läufe und Galas.

An der Fundraising-Akademie in Frankfurt am Main gibt es einen Aufbaustudiengang zum „Fundraising-Manager“. Hier werden außerdem die Trends untersucht. „Die Branche ist auch deshalb in Bewegung, weil immer mehr wohlhabende Menschen in Deutschland etwas bewegen und gestalten möchten“, sagt Geschäftsführer Thomas Kreuzer. Diese sogenannten Großspender, die auch mal 10 000 Euro und mehr stiften, gewinnen an Bedeutung. Ebenso gibt es viele Menschen ohne Nachfahren, die ihr Erbe spenden möchten.

Auch für Amnesty International sind Erbschaften und Vermächtnisse eine wichtige Einnahmequelle. „Viele Deutsche möchten ihr Erbe, darunter auch Immobilien und Sachwerte, lieber in den Händen einer Organisation sehen, als es dem Staat zu vermachen“, sagt Manuela Schulz, die für Amnesty die Großspender betreut. Für sie ist der persönliche Kontakt – besonders über das Telefon – am wichtigsten. „Wer eine große Summe spendet, legt meistens Wert auf eine individuelle Betreuung und Beratung“, sagt Schulz. Wie ihre Kollegin Gernand ist sie hauptberuflich tätig. „Nur über ehrenamtliche Mitarbeiter könnte die Organisation nicht existieren“, sagen sie.

Wie viel ein Fundraiser verdient, hängt von der Größe der Organisation ab. Ein Berufseinsteiger kann mit jährlich 30 000 bis 35 000 Euro rechnen. Wer Führungsaufgaben übernimmt, verdient 50 000 bis 70 000 Euro im Jahr.

Wenn es um Gehälter von Mitarbeitern in Non-Profit-Organisationen geht, tritt meist die Frage nach den Verwaltungskosten auf. Der Spender wünscht sich natürlich, dass sein Geld dort ankommt, wofür er es gespendet hat. „Doch die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass nur gute Arbeit geleistet werden kann, wenn die Mitarbeiter auch fair bezahlt werden“, sagt Nicole Holtz vom Fundraising-Verband. Bei dessen Mitgliedsorganisationen darf der Verwaltungsaufwand nicht mehr als 30 Prozent des Spendenaufkommens betragen. Und nur wer dies erfüllt, erhält auch das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen.

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