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Bis September wird der Funkturm saniert, so lange bleiben Plattform und auch Restaurant geschlossen. An diesem Wochenende ist es noch einmal geöffnet.

© Mike Wolff

Funkturm wird saniert: Auf ein letztes Mal zum Langen Lulatsch

Oben staunen die Touristen, auf halber Höhe trinken Stammgäste ihr Pils. Am Wochenende ist der Funkturm noch ein letztes Mal geöffnet, bevor er saniert wird. Genau die richtige Zeit für einen Besuch.

Als würden die Gesetze der Schwerkraft für sie nicht gelten, schießt die gläserne Kabine nach oben. „Herzlich willkommen im Funkturm Berlin“, ertönt eine entspannte Männerstimme aus dem Lautsprecher. „Dieser Aufzug bringt sie in 34 Sekunden auf die Aussichtsplattform in 126 Metern Höhe.“ Und schon werden die Messehallen und das große ICC ganz klein. Durchatmen, cool bleiben. Eine halbe Minute später öffnen sich die Türen.

Ganz alleine ganz oben auf dem Funkturm, von dem in Touristenführern gern behauptet wird, dass ihn die Berliner „Langer Lulatsch“ nennen. In diesem Jahr wird er 87 Jahre alt. Und vor allem wird er saniert, zehn Wochen lang – ab Montag. Zeit für einen letzten Besuch.

Erst einmal orientieren an diesem Morgen. Unten der ZOB, Lietzensee, RBB. Nicht weit entfernt liegt das Olympiastadion, drüben thront die ehemalige US-Abhörstation auf dem Teufelsberg – saß da nicht auch die NSA? – , und von unten ist der Lärm der Lastwagen zu hören, die sich gerade durch den Stau quälen, weil ja die A 100 gesperrt ist.

Ein Blick wie auf eine Miniaturstadt

Das fällt sofort auf: Wie fremd das Häusermeer dort unten wirkt, wie unwirklich nah dafür die Geräuschkulisse. Eine Gruppe Kinder kommt die Dutzend Stufen vom Aufzug bis in den Stahlkäfig hochgerannt und fühlt sich sofort wie im Gefecht. „Sie greifen uns an! Besetzt eure Positionen und feuert die Raketen!“ rufen sie, während sie zu den Ferngläsern an den vier Ecken der Plattform rennen.

Dahinter kommen Kurt Brauer und sein zehnjähriger Enkel Daniel gerade die Stufen hinauf. Die beiden Hamburger sind für ein paar Tage in der Hauptstadt, ein Besuch des Funkturms darf im Programm nicht fehlen. „Daniel hat den Funkturm vorgeschlagen. Das Pergamonmuseum gestern fand er langweilig, jetzt wollte er ein bisschen Action“, sagt der 79-Jährige. „Und das hier ist natürlich etwas ganz anderes als unser Michel“, findet er, wenn er den Funkturm gegen den Hamburger Kirchturm abwägt. Auch der Ausblick im Fernsehturm auf 203 Metern Höhe sei nicht zu vergleichen. Schließlich ist man dort mittendrin im Geschehen und hat klare Sicht auf den Alexanderplatz, das Rote Rathaus und das Brandenburger Tor.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie mehr über die bewegte Geschichte des Funkturms

Der alte Funkturm ist anders. Mit dem Grunewald im Rücken überblickt man den gesamten Stadtkern auf einmal. Während Kurt Brauer erzählt, verdeckt sich der Himmel und der Wind nimmt zu – also ab mit dem Fahrstuhl ins Warme, ein paar Etagen tiefer. Seit der Errichtung des Funkturms zur 3. Funkausstellung 1926 – damals war es das höchste Gebäude der Weimarer Republik – befindet sich auf 55 Metern Höhe ein Restaurant. Es hat mindestens genauso viel erlebt wie das 400 Tonnen schwere Stahlgerüst, das es trägt. Hier feierte schon Marlene Dietrich, bevor das Restaurant im April 1945 nach Granateinschlägen komplett ausbrannte. Erst 1950 öffnete das renovierte Restaurant wieder.

Edles für die Turmgäste

Die Innenausstattung ist noch von damals: holzvertäfelte Wände mit Intarsien um den Fahrstuhlschacht, Tische und Stühle stehen wie einst an den schrägen Panoramafenstern, die an ein Luftschiff erinnern. Jeden Gast, der aus dem Fahrstuhl steigt, begrüßt Heiko Falkner persönlich. Vor 20 Jahren hat er hier als Oberkellner angefangen, jetzt leitet er das Restaurant. Früher sei es hier deutlich feiner zugegangen, erzählt der 44-Jährige, mit Silberhauben über dem Hauptgang. Jetzt sei es bürgerlicher, jeden Monat habe man ein anderes internationales Buffet. Im Juni: skandinavischer Mittsommer. Im September, wenn der Turm wieder öffnet, gibt es Herbstliches aus deutschen Wäldern. Aber es kommen ja nicht nur Touristen, erzählt Falkner, „sondern auch viele Stammgäste, die wir mit Namen kennen, jeden Abend ins Restaurant“, sagt Falkner. Und die trinken dann auch nur mal ein Bier. Eine fast normale Kneipe, auf 55 Metern Höhe.

Für die nächsten zwei Monate müssen sich Falkners Stammgäste allerdings eine konventionellere Kneipe suchen. Bis zum 16. September bleiben Funkturm und Restaurant wegen routinemäßiger Wartungsarbeiten geschlossen. „Das ist natürlich schade für Touristen, aber der Sommer ist dafür die beste Zeit, auch weil keine großen Messen stattfinden“, erklärt der Restaurantleiter. Ein Grund mehr also, an diesem letzten Wochenende mit dem gläsernen Lift auf die Aussichtsplattform zu fahren, den Sonnenuntergang dort zu genießen und danach – mit der Stadt zu Füßen – skandinavischen Hering und Kapern zu essen.

Geöffnet am Sonnabend von 11.30 Uhr bis 23 Uhr, am Sonntag von 11.30 Uhr bis 16 Uhr. Info-Telefonnummer: 3038 1905

Kalle Harberg

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