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Liegestühle auf Rollrasen. Sonst ist hier ein Parkplatz.

© Jörn Hasselmann

Update

„Parking Day“ in Berlin: Aktivisten kapern Parkplätze und gestalten sie um

Ein Park kann aus einem Parkplatz nicht werden. Aber ein Blumenkübel passt schon rauf. Am Aktionstag zeigen Fans der Verkehrswende, wie sich die Stadt besser nutzen lässt.

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Einmal im Jahr, am dritten Freitag im September, versuchen Aktivisten das Unmögliche: Sie wollen Autos Platz wegnehmen, den diese in Berlin einnehmen. Aus Sicht der Aktivisten: verschwenden. Die Aktion nennt sich „Parking Day“, unter anderem der Fahrradclub ADFC Berlin und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) rufen dazu auf.

An 15 Stellen in der Stadt sind an diesem Freitag Aktionen angekündigt. Am Vormittag stellten die Organisatoren bei einer zentralen Aktion in der Grolmanstraße nahe dem Savignyplatz ihre Ziele vor. Doch zunächst musste Heiner von Marschall vom VCD auf den Abschleppwagen warten. Da die Aktion bei der Polizei als Versammlung angemeldet war, waren auch Halteverbotsschilder aufgestellt für den Parking Day.

Dennoch war die Straße zugeparkt wie immer. „Die Schilder habe ich gesehen, doch wo soll ich denn sonst parken“, sagte eine Autofahrerin, die freiwillig wegfuhr. Für die anderen kam der Abschleppwagen.

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Im Idealfall geht der „Parking Day“ ohne Polizei und Halteverbotsschilder: Ein freier Autoparkplatz wird okkupiert, einfach so. Zum Abstellen von Fahrrädern, für einen Blumenkübel oder für eine Sitzecke. Heiner von Marschall nennt es ein „Experiment“, sich vorzustellen, wie viel Platz auf einer Straße sein kann, wenn keine Autos da sind.

Die Grolmanstraße war bewusst gewählt. Hier will der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf in den nächsten Jahren eine kleine Fußgängerzone einrichten. Jeder Berliner Bezirk soll, wie berichtet, ein solches Pilotprojekt im Rahmen der Fußverkehrsstrategie entwickeln. Die Anwohner konnten sich also am Freitag schon mal ansehen, wie die Straße einmal autofrei aussehen wird.

„Wir möchten auf die unverhältnismäßige Flächeninanspruchnahme durch Autos in Städten hinweisen“, heißt es in einem Aufruf. Jeder Autoparkplatz verbraucht zwölf Quadratmeter, die durchschnittliche Fläche eines Kinderzimmers in Deutschland. Vor fünf oder gar zehn Jahren war das Wort „Flächengerechtigkeit“ nur Fachleuten bekannt. Mittlerweile ist es weit verbreitet. So hat Kreuzberg kürzlich angekündigt, einen ganzen Kiez autofrei machen zu wollen.

Vor fünf Jahren hatte der „Parking Day“ seine zentrale Aktion in der Bergmannstraße in Kreuzberg. Mittlerweile ist die Straße völlig umgestaltet. „Es geht nicht nur um Verkehrsberuhigung und Flächengerechtigkeit, sondern auch um Klimaschutz“, hatte die damalige Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) das Vorgehen begründet.

Das Umweltbundesamt hatte einmal vorgerechnet: Gäbe es in Berlin nur 300 Autos pro 1000 Einwohner (derzeit sind es etwa 340), hätte Berlin genug Platz für die vom Volksentscheid Fahrrad geforderten Radwege. 

Doch die Zahl der Autos in der Stadt nahm bisher weiter zu. Jedes Jahr meldet das Statistische Landesamt einen neuen Rekordwert beim Bestand von Personenkraftwagen in Berlin. 2017 waren 1,195 Millionen Autos zugelassen, in diesem Jahr sind es 1,242 Millionen. Die Anzahl der registrierten Pkw ist im Bundesland Berlin im Verlauf der vergangenen zehn Jahre kontinuierlich angestiegen. Zuletzt verzeichnete die Zulassungsstatistik für die Hauptstadt erstmals einen leichten Rückgang. Im laufenden Jahr ist die Zahl der angemeldeten Pkw bislang um mehr als 6000 Stück gesunken.

Als Grund nennt der Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaften (WZB): „Wir haben in Berlin das Problem, dass wir zu viele Autos haben. Das liegt daran, dass es sehr bequem ist, ein Auto zu haben, weil jeder sein Auto sehr bequem vor der Haustür abstellen kann.“

Und vor allem billig. Selbst in Friedrichshain-Kreuzberg, das sich gerne verkehrspolitisch als Vorzeigebezirk lobt, ist das Abstellen von Autos weitestgehend gratis. Selbst 100 Meter vom Potsdamer Platz entfernt gibt es keine Parkraumbewirtschaftung.

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