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Der fast fertig umgestaltete U-Bahnhof Mehringdamm zeigt Fotos aus dem Kiez .

© Kai-Uwe Heinrich

Galerie am Gleis: Kunst in Berliner U-Bahnhöfen

Am Kottbusser Tor hängen neuerdings Gemälde statt Werbeplakate. Initiativen aus dem Kiez wollen damit ihren Protest zum Ausdruck bringen. Auch an anderen U-Bahnhöfen gibt es Kunst zu entdecken.

Es ist viel los an diesem Montagmorgen am U-Bahnhof Kottbusser Tor. Eine kleine Rangelei entsteht, als zwei Mädchen in einen Streit über einen Jungen geraten. Ein Obdachloser versucht auf den Bahnsteigen die „motz“ zu verkaufen. Zwei Studenten aus England studieren das Liniennetz der BVG, arabische Musik dringt aus dem Handy einer Jungengruppe. Alles wie gehabt am Kotti – doch etwas ist neu.

An den Gleisen der U8 in Richtung Wittenau hängen seit dem Wochenende keine Werbeplakate mehr, sondern großformatige Bilder, die Anwohner, Künstler und Gewerbetreibende gemeinsam gestaltet haben. „The Mirror: Say it Loud“ heißt die Ausstellung, die noch bis zum kommenden Montag zu sehen ist. Gestaltet wurden die Plakate von der Initiative „Kotti-Shop“ in Zusammenarbeit mit der Mietergemeinschaft „Kotti & Co“, anderen Initiativen, Anwohnern sowie angrenzenden Bars und Geschäften. Die Bilder setzen sich mit der aktuellen Wohnsituation rund um den Kotti auseinander.

Kunst statt Werbung – das gibt es nicht nur am Kottbusser Tor, auch andere U-Bahnhöfe werden als Ausstellungsräume für Bilder und Plakate genutzt. Am Nordbahnhof hängen beispielsweise großflächige Graffiti-Werke, die von Künstlern und Schülern des Schulprojektes „Stadt-als-Schule Berlin“ gemeinsam gestaltet wurden. In der Vorhalle des Nordbahnhofs ist bis zum Ende nächsten Jahres auch die Ausstellung „Grenz- und Geisterbahnhöfe im geteilten Berlin“ zu sehen. Sie erinnert an die stillgelegten und bewachten Bahnhöfe in Ost-Berlin, die nur vom Westen aus durchfahren werden konnten. Seit der umfassenden Sanierung ist der U-Bahnhof Mehringdamm zu einem kleinen Kreuzbergmuseum umgestaltet worden. Kurz vor der Fertigstellung hängen hier Fotos aus dem Kiez: Bergmannstraße, Sarotti-Höfe, Amerika- Gedenkbibliothek und Nationaldenkmal im Viktoriapark – die Bordüre an den Gleisen zeigt Bilder bekannter und beliebter Kreuzberger Orte.

Vonseiten der BVG ist das durchaus wünschenswert. Zwar seien nicht alle Bahnhöfe frei verfügbar, weil die Wall AG dort auch Werbung anbringt. „Aber ansonsten sind wir für Ausstellungen immer offen“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Es müsse jedoch passen – wie im Falle Kreuzbergs. „Es gibt Ausstellungen, die gehören in eine Galerie“, sagt Reetz. „An den Bahnhöfen sind auch kleine Kinder unterwegs, da können wir keine Aktbilder aufhängen.“ Das schöne an den Ausstellungen sei, dass sie von vielen Menschen gesehen werden und „die Kunst zu uns kommt und nicht wir zur Kunst gehen“.

Die neue Ausstellung am Kottbusser Tor ist eine Mischung aus Kunst und Demo. „Steigende Mieten, Drogen, viele Touris: alle Beteiligten hatten die Möglichkeit ihre Meinung dazu zu äußern“, sagt Stefan Endewardt, einer der Initiatoren des Projektes. Herausgekommen sind knallige Zeichnungen des Neuen Kreuzberger Zentrums, von Demonstrationen, aber auch Kätzchen, einem Boxer und einem blutenden Herz. Alles gespickt mit Statements wie: „Bei Kotti haben wir ALLES“, „Wir sind X-Berg“, „stoppt rassistische Verdrängung“, „Die Miete ist zu hoch“ und „Hier ist unser Wohnzimmer“. Sechs der Plakate hängen an den Gleisen der U8, zwei Bilder auch an der Hauswand Reichenberger Straße 9 und der Adalbertstraße 97.

Endewardt wohnt seit sechs Jahren in der 11. Etage des Neuen Kreuzberger Zentrums und bekommt sehr genau mit, welche Probleme es am Kotti gibt. „Was mich manchmal schon etwas nervt sind einige Touristen, die hier reinschneien und rumgrölen und keine Rücksicht darauf nehmen, dass hier Leute leben, vor allem auch Kinder“, sagt der 36-Jährige.

Der Kotti befinde sich im Wandel, sagt Annette Knol von der Initiative Kotti- Shop. „Wir wachsen mehr zusammen.“ Seit der Gestaltung der Plakate, die im August letzten Jahres startete, hätten sich die Menschen untereinander besser kennen gelernt. „Hier haben Menschen aller Nationen mitgearbeitet und die meisten kannten sich vorher nicht.“ Für seine Bemühungen kürte der „Südblock“ Stefan Endewardt bei der Eröffnung der Ausstellung am vergangenen Freitag zur „Kotti-Queen“. Eine Ehre, die Menschen zuteil wird, die sich in besonderer Weise kulturell um diese Gegend kümmern.

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