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Berlin: Ganz smart zu hoch geplant

Charlottenburger Hauseigentümerin gewinnt Klage gegen Neubauten in ihrer Nachbarschaft

Wegen eines fehlerhaften Bebauungsplans muss das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wahrscheinlich Schadensersatz an die Eigentümerfamilie eines Wohnhauses in der sogenannten Spreestadt Charlottenburg zahlen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin habe „den Bebauungsplan für unwirksam erklärt“, bestätigte Gerichtssprecherin Christiane Scheerhorn am Freitag. Beim Bau des 13-stöckigen Verkaufscenters der Automarke Smart am Salzufer/Ecke Englische Straße sei die Geschossflächenzahl falsch berechnet und so die zulässige Baudichte überschritten worden.

Das Smart-Center hatte 2004 neben der Mercedes-Welt am Salzufer eröffnet. Außer dem Turm mit Ausstellungsräumen entstanden ein Empfangsgebäude und eine Werkstatt mit je sieben Etagen. Das 122 Jahre alte Wohnhaus an der Englischen Straße 29 ist seitdem auf drei Seiten von Neubauten umgeben. Das OVG rügte unter anderem mangelnde Abstandsflächen sowie die „Verschattung“ von Wohnungen und Belüftungsprobleme. Insgesamt würden die „Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsbedingungen“ nicht erfüllt, sagte die Sprecherin. Außerdem seien der Planung „veraltete Gutachten zu Grunde gelegt worden“ (Az.: OVG 2A22.08).

In den fünf Etagen des Wohnhauses gibt es knapp 30 Mieter, ein Bordell und ein Hostel. Eigentümer sind die 49-jährige Klägerin Kerstin Breidenbach und drei Verwandte. Sie habe ihre Einwände „dem Bezirk seit dem Jahr 2000 vorgetragen“, sagt Breidenbach, die für die FDP als stellvertretende Bürgerdeputierte in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) aktiv ist. Das Bauamt unter Stadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) habe aber mit der Immobilienabteilung des Smart-Mutterkonzerns Mercedes-Benz über ihren Kopf hinweg geplant. „Man hat mich nicht ernst genommen“, ärgert sich die Vermieterin. Die Bauarbeiten, bei denen auch drei Brandwände abgerissen wurden, hätten teils erhebliche Schäden im Altbau verursacht. Nun erwägt Breidenbach Schadensersatzforderungen, kann deren Höhe aber noch nicht abschätzen. Derzeit ist es für solche Ansprüche ohnehin zu früh, da die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt.

Bis dahin will sich das Bezirksamt nicht äußern. Baustadtrat Gröhler ist außerdem zurzeit im Urlaub. Das Urteil könnte Folgen für eventuelle weitere Bauprojekte in der Nähe haben, weil zum Planungsgebiet ein ganzer Straßenblock gehört. Ein Rückbau des Smart-Centers ist dagegen unwahrscheinlich. Trotz der Mängel beim Bebauungsplan „gibt es eine bestands- und rechtskräftige Baugenehmigung“, sagte Mercedes-Sprecherin Ute Wüest von Vellberg. Klägerin Breidenbach überlegt allerdings, nun auch gegen die Baugenehmigung vorzugehen. An den aufgetretenen Baumängeln würde ein Teilabriss der Nachbarbauten jedoch nichts mehr ändern, sagt sie. Schadensersatzgelder würde sie für eine Sanierung des Wohnhauses verwenden.

Mit dem Prozess „haben wir nichts zu tun“, betont Mercedes, die Klage habe sich allein gegen das Land Berlin und den Bezirk gerichtet. Ein Sprecher der Mercedes-Niederlassung Berlin ergänzte, der Streit drehe sich nicht um die Mercedes-Welt am Salzufer. Dem Bezirk steht derweil ein weiteres Gerichtsverfahren um ein Bauprojekt bevor: Am Dienstag verhandelt das OVG über die Klage von Wilmersdorfer Anwohnern gegen eine Bebauung der ehemaligen Kleingartenkolonie Württemberg mit Luxuswohnungen.

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