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Berlin: Geben und nehmen

Hotelchef Masaracchia ist begeisterter Netzwerker für Berlin. Sein Erfolgsrezept: 18 000 Mail-Adressen

Paolo Masaracchia wäre wohl der bessere Weihnachtsmann: Der Verzicht auf Klebebart und Hohoho machen ihn seriöser, und außerdem ist bei ihm nicht nur einmal im Jahr Bescherung. „Ich schenke Leuten gern was“, sagt der 36-Jährige, der neuerdings Direktor des Mercure-Hotels am Checkpoint Charlie ist. Masaracchia redet mit seinen Angestellten wie ein Sportlehrer, sagt „cool“ oder „jut“ – und, dass er sich für einen Job im Ausland noch nicht reif fühlt: „Vielleicht, wenn ich groß bin.“ Gut möglich, dass bis dahin noch mancher Berliner von seiner Weihnachtsmann-Ader profitiert.

Der in Spandau geborene Italiener ist nämlich leidenschaftlicher Netzwerker: Mittlerweile hat Masaracchia rund 18 000 Mail-Adressen in seinem Computer gespeichert. Die zugehörigen Menschen hat er meist im Laufe seiner Hotelierkarriere kennen gelernt, die als Page im Sylter Hof begann: „Da habe ich mit weißen Handschuhen Glühbirnen gewechselt und Lampenschirme zurechtgerückt. Nach einem halben Jahr kannte ich das ganze Hotel.“ Zwischendurch hat er ein Schlosshotel in Castrop-Rauxel und ein Suite-Hotel in Hamburg geleitet. Dort habe er dank seiner Kontakte einmal 1000 Leute zu „Findet Nemo“ ins Kino einladen können. Ende November bot er Karten für ein Chorkonzert in der Philharmonie an – für ganze fünf Euro.

Das funktioniert, weil er nicht nur Leute kennt, die sich gern beschenken lassen, sondern auch solche, die Werbung für sich machen wollen. Masaracchia spricht sie gezielt an, aber im Unterschied zu einem Vertreter ist er auf den Erfolg nicht angewiesen. Dass er die Angebote mit der Anrede „Liebe Freunde des Mercure …“ verschickt und einen Link zur Hotelkette auf seiner Seite hat, ist der Konzernleitung natürlich recht.

In diesem Jahr will Masaracchia den von drei Seiten zugänglichen Innenhof zwischen seinem Hotel und den angrenzenden Bürogebäuden bespielen: mit Gesang im Weingarten. Der Weingarten – gewissermaßen das Vier-Sterne-Pendant zum Biergarten – hätte auf der bisher ungenutzten Terrasse Platz, der Sänger auf dem Balkon im ersten Stock. Neulich hat Masaracchia einen interessierten Weinhändler getroffen und ins Netzwerk eingespeist. Der Sänger ist ebenfalls in Sicht, aber noch nicht ganz überzeugt: Er singt sonst an der Staatsoper und hat Masaracchia kennen gelernt, weil er einen Nebenjob im Hotel suchte, um mit dem Geld auszukommen. „Es ist eine wunderbare Idee, aber warum soll ich für zahlende Hotelgäste gratis singen?“, fragt er und erzählt von Kollegen, die nebenher beim Discounter Regale einräumen, um über die Runden zu kommen. „Man sollte Kunst nicht als Geschenk betrachten.“

Masaracchia aber würde die Kunst am liebsten verschenken – auch an Leute, die sie bezahlen könnten. Er wird schon eine Lösung finden, wenn er in Ruhe seine Kartei durchstöbert.

Netzwerk und Angebote im Internet: www.masaracchia.de

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