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Gebetsräume in Schulen: Einigung im Raum der Stille

Nach dem Ferienende könnten noch mehr muslimische Schüler Gebetsnischen fordern. Schulleiter plädieren für Kompromisse.

Trotz der Verunsicherung nach dem Gerichtsbeschluss zu Gebetsräumen will Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Schulen zum Unterrichtsbeginn nach den Osterferien keine zentrale Vorgabe für den Umgang mit gebetsfreudigen Schülern machen. Die Behörde werde „im Einzelfall“ beraten, falls es weitere Anträge geben werde, sagte Sprecher Bernhard Kempf. Dem Vernehmen nach befürchtet die Behörde, durch detaillierte Vorgaben eine Nachfrage seitens der Schüler überhaupt erst anzufachen.

Die Schulleiter sind also erstmal auf sich gestellt. Da es, wie berichtet, in der Vergangenheit schon öfter Anfragen von muslimischen Schülern gegeben hatte, rechnen sie damit, dass sich diese oder weitere Schüler melden. Sie alle könnten sich auf das Verwaltungsgericht beziehen, das es einem Weddinger Gymnasiasten vor den Osterferien erlaubt hatte, außerhalb der Unterrichtszeit zu beten.

Zwar bezieht sich der Gerichtsbeschluss nur auf den konkreten Schüler; dennoch könnten andere Schüler ebenfalls erfolgreich klagen. Denn das Gericht argumentiert ganz allgemein damit, dass die Gebetspflicht „bekanntermaßen zu den fünf Säulen des Islam gehört“. Und es betont, dass das Grundgesetz sehr wohl auch „die äußere Freiheit, seinen Glauben zu bekunden“ garantiere.

Viele Schulleiter wollen es deshalb nicht auf eine weitere Klage ankommen lassen und bis zum Hauptsacheverfahren warten, das möglicherweise erst 2009 entschieden wird. „Ich werde es auf keine Kraftprobe ankommen lassen“, sagt etwa Pit Rulff vom Oberstufenzentrum Druck- und Medientechnik. Er geht allerdings davon aus, dass es bei „Einzelfällen“ bleibt. Wenn es sich zu einer „gezielten Bewegung“ auswachsen sollte, müsse man aber neu nachdenken.

Für ein moderates Vorgehen plädiert auch Anita Mächler vom Vorstand der evangelischen Schulstiftung. Sie hat bis vor kurzem das Weddinger Lessing-Gymnasium geleitet und dort viele Erfahrungen mit muslimischen Schülern gesammelt. Sie glaubt, dass sich Schüler davon abbringen ließen, auf dem Gebet auf dem Schulgelände zu beharren, wenn man ihnen offen begegnen und das Gespräch suchen würde. Keinesfalls sollten die Schulleiter „einsame Entscheidungen“ fällen, sondern Eltern, Schüler und Lehrer einbeziehen. „Reinholen, nicht wegdrücken“ – das sei der Grundgedanke jeder Deeskalation, der auch für diesen Konflikt gelten müsse, sagt Mächler. Sie plädiert dafür, allen Schüler, die beten oder sich besinnen wollen, einen „Raum der Stille“ zur Verfügung zu stellen.

Es gibt aber auch weniger versöhnliche Stimmen. Wolfgang Harnischfeger, Leiter des Beethoven-Gymnasiums und Vorsitzender der GEW-Schulleitervereinigung, empfindet den Gerichtsbeschluss als „falsche Form der Toleranz“. Auch Ahmad Al-Sadi, der interkulturelle Moderator der Rütli-Schule, hat Probleme mit dem Gerichtsbeschluss. „Wir sind päpstlicher als der Papst“, kommentiert er die gerichtliche Erlaubnis, in der Schule zu beten. Nicht einmal in Jordanien, wo er aufgewachsen ist, sei dies üblich. Schließlich erlaube es der Koran, die vorgeschriebenen fünf Gebete für einen späteren Zeitpunkt zu sammeln, wenn man am Beten gehindert ist, sagt Al-Sadi, der selbst Muslim ist. Die Mutter des Jungen, der den Gerichtsbeschluss erwirkt hatte, stammt aus der Türkei. Sein Vater, ein gebürtiger Deutscher, ist dem Vernehmen nach zum muslimischen Glauben konvertiert.

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