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Puschkinallee mit Autos und grün belaubten Bäumen im Sommer.

© Thilo Rückeis

Gefällte Bäume: Bezirke lassen die Axt schwingen

300 Bäume fallen ab Montag in Treptow, 300 auch in Wannsee. Und Schädlinge bedrohen nun das Ku’damm-Grün.

Kathedralenartig wölben sich die 475 Platanen über der Puschkinallee. Ihre Äste mit grünen und goldenen Blättern greifen über der Straße ineinander, im Wind schunkeln die Bäume zusammen. „So eine Straße gibt es nicht noch einmal in Deutschland“, sagt ein Verkäufer vom Bistro am Ende der Allee. Doch ab Montag wird das Rattern von Kettensägen und das Ächzen fallender Bäumen die herbstliche Idylle stören. 300 Bäume gleich neben den Platanen sollen bis Ende November gefällt werden, bevor die Platanenkronen im Sommer selbst der Säge zum Opfer fallen. Denn die über 100 Jahre alten, denkmalgeschützten Bäume sind krank. Auch anderswo in Berlin gibt es zum Ende der Vegetationsschutzzeit Fällungen – und Experten schlagen Alarm: So diagnostizierte ein Baumexperte etwa an den Platanen im Märkischen Viertel den Befall mit dem gefährlichen Rindenbohrer-Schädling. Auch die Stämme der Platanen auf dem Mittelstreifen des Kurfürstendamms sähen besorgniserregend aus.

An der Puschkinallee leiden die Platanen, weil Kastanien, Robinien und Ulmen ihnen Konkurrenz machen und Wasser, Licht sowie Nährstoffe rauben. „So leid es uns tut, aber wir müssen das tun, um die denkmalgeschützten Platanen zu retten“, sagt Umweltstadtrat Michael Schneider (Linke). Die 300 Fällungen seien mit Umweltverbänden und Bürgerinitiativen abgestimmt. Auch sei der enge Stand der Platanen ein Problem. Das Blätterdach sei so dicht, dass sich Feuchtigkeit unter den Ästen sammele und es an Durchlüftung fehle. So machen sich holzzerstörende Pilze an der Baumrinde zu schaffen und auch die aus südlichen Ländern einfallende Massaria-Pilzkrankheit lässt Äste absterben. Allein aus Sicherheitsgründen müsse man aktiv werden, sagt Stadtrat Schneider. Im Sommer 2011 sollen die Baumkronen der Platanen um bis zu 40 Prozent zurückgeschnitten werden, der Blätterbaldachin ist dann Vergangenheit. Dafür werden die Platanenreihen am Straßenrand wieder dichter: 100 Neupflanzungen sollen Lücken ausfüllen, die bereits in den vier Reihen der ehemals 1000 Bäume klaffen.

Der Verkäufer vom Imbiss an der Puschkinallee schüttelt den Kopf, es sei „so schade“. Für viele Berliner ist jedes Kappen ihres geliebten Straßengrüns eine Katastrophe. So hat auch der kahle Anblick der Fischerinsel in Mitte, wo am gestrigen Freitag drei alte, von Pilzen befallene Trauerweiden gefällt wurden, Anwohner erschreckt. „Sie machen hier schon wieder Kahlschlag“, warf ein erboster Anrufer Jürgen Götte vom Straßen- und Grünflächenamt Mitte vor. „Wenn’s um Bäume geht, sind die Leute besonders diskussionsfreudig“, sagt Götte.

Auch die Königstraße in Wannsee wird sich bald weniger grün präsentieren. 300 Bäume müssen hier von nächster Woche an bis zum Frühjahr gefällt werden, weil sie laut Behörden die Verkehrssicherheit gefährden. Zuletzt hatte Anuschka Guttzeit von der Initiative „Bäume am Landwehrkanal e.V.“ gegen die Fällung zahlreicher Bäume in Kreuzberg protestiert.

Und jetzt hat sich der Brandenburger Landschaftsgärtner Michael Beuthe an das Grünflächenamt Charlottenburg-Wilmersdorf gewandt. Der Baumschulenbesitzer pflanzte in den vergangenen Jahrzehnten tausende Platanen in Berlin – „und ich gucke mir meine Schützlinge immer mal wieder an“. Jetzt habe er bei seinen Bäumen in Schwante, aber auch vielerorts in Berlin den Befall mit dem heimtückischen „Xyleborus dispar“ festgestellt. Dieser schwarze Rindenbohrer frisst sich durch bis zu den Versorgungsleitungen und kappt die Nährstoffzufuhr des Baumes. Saft tritt aus, die Rinde reißt auf, wird schwarz und fällt ab. „Es gibt wegen Hitze und Trockenheit immer mehr Schwächeparasiten“, sagt Beuthe. Beim Pflanzenschutzamt hieß es, bei Kontrollen sei der Rindenbohrer zuletzt nicht aufgefallen; Charlottenburg-Wilmersdorf schickt weitere Kontrolleure los.

Generell müssten sich die Berliner jetzt mit Kronenkappungen zur Durchlüftung anfreunden, sagt Barbara Jäckel vom Pflanzenschutzamt: Wegen des Klimawandels müsse man sich jetzt bei der Berliner Gartenbaukultur an südlichen Ländern orientieren.

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