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© Kai-Uwe Heinrich

Gefälschte Fahrscheine: Billige Tagestickets schon am frühen Morgen

Immer öfter werden Bus- und Bahnkunden gefälschte Fahrscheine angeboten. Wer damit erwischt wird, bekommt eine Strafanzeige.

Ein Wochentag auf dem U-Bahnsteig Gneisenaustraße, es ist 9.20 Uhr morgens. Neben dem Fahrscheinautomat steht eine junge Frau und wartet. Sobald sich jemand dem Gerät nähert, fragt sie leise „brauchen Sie ein Tagesticket?“ Drei Euro soll das Stück Papier kosten, es sei ihr eigener Fahrschein, den sie nun loswerden will. Der Kunde könnte sich fragen, warum jemand so früh am Tag einen entwerteten Fahrschein für 24 Stunden weiterverkauft. Doch den Zweifel an der Echtheit des BVG-Tickets nährt vor allem die Tatsache, dass hier jeden Vormittag etliche „gebrauchte“ Tages- und sogar Wochentickets verkauft werden. Sie sind offensichtlich gefälscht – für den Laien oft nicht erkennbar.

Thorsten Kramer* war sich sicher, dass er einen original BVG-Fahrschein kaufte, als er vor wenigen Monaten am U-Bahnhof Kottbusser Tor ein Tagesticket erstand. „Da war ein Silberstreifen am Rand, es sah total echt aus“, sagt er. Doch schon nach einer Station wurde der Student kontrolliert und aufgefordert, auszusteigen – „der Kontrolleur hatte nur einen flüchtigen Blick drauf geworfen“. Kramer musste daraufhin nicht nur 40 Euro Strafe zahlen, vier Wochen später bekam er Post vom Polizeipräsidenten. Eine Strafanzeige. Besonders ärgerlich findet der Student, dass er gerade auf dem Weg ins Sekretariat der Universität war, wo er sein Semesterticket abholen wollte.

Früher machten den Betreibern der öffentlichen Nahverkehrsbetriebe vor allem die Wiederverwerter zu schaffen: Punks, Arbeits- oder Obdachlose, die Fahrgäste nach gebrauchten Fahrscheinen fragen, um sie weiterzuverkaufen. Doch inzwischen machen sich immer mehr Hehler gar nicht mehr die Mühe, gebrauchte Fahrscheine einzusammeln und illegal weiterzuverkaufen. Im Winter sei das Problem „saisonal verstärkt“, sagt Klaus Wazlak von den Berliner Verkehrsbetrieben. Ordnungsdienste in den Bahnhöfen würden nur bedingt helfen, „die Hehler laufen weg und kommen wieder“. Der BVG bleibe nur, die Kontrollen zu verstärken und Kunden von zwielichtigen Geschäften abzuraten. So warnte die BVG diesen Winter gleich mehrfach vor dem Kauf gefälschter VBB-Tickets im Kundenmagazin, in Aushängen an Bahnhöfen und über Pressemitteilungen.

Die Polizei registriert eine steigende Zahl von Betrug bei Fahrscheinen, wie ihr Sprecher Thomas Neuendorf sagt. Eine gesicherte statistische Aussage über die Anzahl der Fälle und der Festnahmen sei jedoch nicht möglich, da das Delikt in der Statistik unter „sonstiger Betrug“ aufgeführt wird. „Aber wir führen verstärkt Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs durch“, sagt Neuendorf.

Die BVG hat die meisten Fahrscheine mittlerweile mit Sicherheitsmerkmalen versehen. „Zwar gibt es durchaus professionelle Fälschungen, die erkennen wir aber genauso wie die ganz plumpen“, versichert BVG-Sprecher Wazlak. Es gebe eine Reihe von Merkmalen, mithilfe derer man Schwarzfahrscheine entlarven kann. Welche das sind, will die BVG nicht verraten. Nur so viel: „Unsere Kontrolleure werden gezielt darauf geschult, die falschen von den echten zu unterscheiden.“ Die Verluste durch Tickets aus zweiter Hand und gefälschte Druckerzeugnisse könne die BVG nicht beziffern. Doch Wazlak warnt: „Verboten ist beides.“

An organisierte Banden glaubt die BVG laut ihrem Sprecher nicht, „wir gehen von Einzeltätern aus“. Einzeltäter, die an zahlreichen U-Bahn-Stationen zwischen Spandau, Kreuzberg, Neukölln und Pankow zu sehen sind.

Die junge Frau am U-Bahnhof Gneisenaustraße verschwindet, als sie zwei blau uniformierte Ordnungshüter von der BVG sieht. Aber es vergeht nur eine Stunde, da stehen hier schon zwei andere Hehler und warten auf Kunden für „gebrauchte Tagestickets“.

* Name von der Redaktion geändert

Ferda Ataman

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