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© Thilo Rückeis

Gefängnisseelsorger: Gebete über die Mauer hinweg

Stefan Friedrichowicz ist der neue katholische Gefängnisseelsorger in Tegel.

Vor seinem Bürofenster prangen dicke Gitter. Und nur mit einem großen Schlüsselbund gelangt Stefan Friedrichowicz Tag für Tag zu seiner Arbeitsstelle: Der katholische Pfarrer ist der neue Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt in Tegel. Im Erdgeschoss der Anstaltskirche hat er sein Büro, mit Tulpen auf dem Tisch und einer Rembrandt-Kopie an der Wand. Wer ihn sprechen will, muss einen „Vormelder“ ausfüllen, einen Antrag auf Besuch des Pfarrers. Dann kommt der Pfarrer in die Zelle. So läuft das im Gefängnis.

„Ich bin schon schockiert, wenn ich jemandem auf dem Flur die Hand gebe und hinterher erfahre, dass das ein Mörder war“, sagt Friedrichowicz. „Aber die Gefangenen sind keine Monster. Auch im Gefängnis bleiben sie Menschen.“ Strafgefangene besuchen den Gottesdienst, singen im Kirchenchor und nehmen an Glaubenskursen teil. Viele Inhaftierte schätzen die Ruhe in der Gefängniskirche, die Lieder und Gebete, beobachtet der 56-jährige Theologe. Die Gespräche mit den Gefangenen seien oft sehr persönlich und intim. „Das Beichtgeheimnis ist die Basis“, sagt Friedrichowicz. Die Menschen sollen reden dürfen über das, was sie bedrückt. Wenn nötig, stellt der Priester auch den Kontakt zu Verwandten wieder her. „Und wenn draußen jemand verstorben ist und der Gefangene keine Vollzugslockerung bekommt, um an der Beerdigung teilnehmen zu können, feiern wir zeitgleich zur Beisetzung einen Gottesdienst.“ Im Gebet sei der Inhaftierte dann mit der Familie draußen verbunden, über die Mauern der Haftanstalt hinweg.

Vor seiner Tätigkeit in Tegel war Friedrichowicz zwölf Jahre lang Pfarrer im Märkischen Viertel. Mit Gefängnissen hatte er bis dahin nur in der DDR zu tun. „In Erfurt habe ich regelmäßig Kommilitonen, katholische Studenten, im Gefängnis besucht, die wegen Republikflucht einsaßen“, sagt der Pfarrer. „Aber in diesem Land fühlte sich ja jeder wie im Gefängnis.“ Doch in der DDR erlebte Friedrichowicz auch katholische Jugendwochenenden mit 120 Teilnehmern und einen geistlichen Aufbruch unter jungen Katholiken. Dass auch seine Strafgefangenen nach dem Kontakt mit dem Gefängnisseelsorger reihenweise in die Kirche eintreten, glaubt Friedrichowicz dagegen nicht. „Aber ich vermittle Kontakte zu Caritasprojekten für Haftentlassene und in Kirchengemeinden, wenn ich danach gefragt werde“, sagt der Pfarrer. „Schließlich dient alles, was wir hier im Gefängnis machen, auch der Vorbereitung eines Neustarts draußen.“ Benjamin Lassiwe

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