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Sprung in ein neues Leben. Der Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi in Altglienicke ist auch eine Anlaufstelle für Kinder aus Flüchtlingsfamilien geworden.

© Kai-Uwe Heinrich

Gemeinsame Sache Altglienicke: Hier lernen und spielen alle gemeinsam

Der Zirkus „Cabuwazi“ bringt mit seinem Angebot Kinder aus dem Asylheim und dem Kosmosviertel zusammen.

Einst waren die Hochhäuser des Kosmosviertels in Altglienicke eines der letzten großen Bauprojekte im Arbeiter-und-Bauern-Staat; die neuen Straßen im Plattenbauviertel wurden ehrenvoll nach Planeten und verdienten Kosmonauten benannt. Heute tanzen in der Venusstraße zwischen den Kosmosplatten Kinder in schwindelnden Höhen.

Der Kinder- und Jugend-Zirkus „Cabuwazi“ hat hier schon seit 20 Jahren seine Zelte aufgeschlagen, seit vielen Jahren ist das eine grüne Oase in einem Quartier, das durchaus soziale Probleme kennt. Auf der Wiese um das blau-rote Chapiteau toben Kinder in jedem Alter, andere turnen in einer Halle auf den Matten rum – Kinder aus der Plattensiedlung und aus der nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft.

Schon fünf Standorte

„Nicht an die Rhönräder“, ruft Alexandra Lepiorz sie zur Ruhe. Die hochgewachsene Frau ist Projektleiterin für den Familientag, den der Zirkus jeden ersten Samstag im Monat für interessierte Kinder und Erwachsene veranstaltet. „Es ist ein Angebot, bei dem Kinder in Workshops verschiedene Zirkusdisziplinen ausprobieren können.“ Die Erwachsenen dürfen derweil ihr handwerkliches Geschick beweisen und überall mit anpacken, wo etwas an diesem Mitmach-Zirkus gebaut werden muss. Die neue Treppe, die zur Terrasse hochführt, wurde beispielsweise von Eltern gebaut. Das nächste Projekt sind Umkleiden für die kleinen Artisten. Am 9. September nimmt der Zirkus am Aktionstag „Gemeinsame Sache“ teil; die Artisten hoffen auf freiwillige Helfer und neue Interessenten: es gibt Zirkusangebote für die Kinder, Handwerksspaß für Erwachsene und schließlich gemeinsames Essen für alle.

Der „Zirkus Cabuwazi“ lebt vom Mitmachen und von der Energie der Teilnehmer. Inzwischen gibt es ihn an fünf Standorten in Berlin; etwa in der Bouchéstraße in Treptow, in Marzahn und Kreuzberg. In diesem Jahr kam ein weiterer Standort auf dem Tempelhofer Feld hinzu.

Angebote für jede Altersgruppe

Kürzlich fand in Altglienicke zum dritten Mal das Zirkusfestival „2 : 0“ statt. Internationale Gäste aus Holland und Chile traten während der vier Tage auf und gaben Workshops. Der Zirkus Koshari aus Ägypten residiert sogar einen ganzen Monat lang bei Cabuwazi. Natürlich durfte unter den Auftretenden das Cabuwazi-Jugendensemble nicht fehlen. Profi-Artisten und modernes Performance-Theater nach Altglienicke zu bringen, ist ein Aushängeschild für den Zirkus. Doch zum Festival gehörten auch die kostenlosen Workshops mit den Anwohnern im Kosmosviertel, die zum Beispiel beim Seiltanzen ihre Grenzen ertasten können.

Diese Workshops gaben einen kleinen Einblick darauf, was das ganze Jahr über im Zirkus passiert. „Wir haben für jede Altersgruppe unterschiedliche Angebote“, sagt Anne Timm. Die schmale Frau mit den hellbraunen Haaren hat selber Drahtseilakrobatik und Einrad-Performance unterrichtet, nun kümmert sie sich als Standortleiterin um die organisatorische Arbeit. Es kommt viel Bürokram zusammen, wenn man pro Woche 120 Kinder betreuen muss. Zusätzlich gibt es fast jede Woche Programme für Schulklassen oder spezielle Ferienangebote.

"Sie haben so viel Energie"

Viele der Zirkuskinder haben es nicht weit zum Training. Sie wohnen in der Container-Flüchtlingsunterkunft im Quittenweg direkt nebenan, eine der ersten in Berlin. Nur einmal über den Rasen laufen, schon sind die Flüchtlingskinder im Zirkus. Hier haben sie genügend Platz, um sich auszutoben und zu lernen, fernab von den Schrecken der Flucht und von der Enge des Containerdorfs.

Deiby Morales, 19, findet es inspirierend, mit den Kindern zusammenzuarbeiten. „Sie haben so viel Energie“, sagt der junge Mann aus Costa Rica. Seit elf Monaten leistet er seinen Freiwilligendienst in Altglienicke. Er bringt viel Wissen rund um Trapezschwingen und Jonglieren mit, denn seit seinem zwölften Lebensjahr ist er in seinem Heimatland als Zirkusartist aufgetreten.

Zirkusmachen verbindet

Der Zirkus hat einiges dazu beigetragen, dass sich die Stimmung im Viertel nach der Ankunft der Flüchtlinge schrittweise beruhigt. Das Verhältnis zu den Nachbarn aus dem Kosmosviertel, die die neuen Mitbewohner anfangs mit viel Argwohn beäugten und wo es Protest und Anfeindungen gab, hat sich nach der täglichen Erfahrung von Anne Timm „normalisiert“. „Alle Kinder können jederzeit vorbeikommen“, sagt sie.

Viele sind noch jung, sie lernen im Spiel mit den anderen schnell Deutsch – und finden hier auch deutsche Freunde. Zirkusmachen verbindet eben. Ein spezielles Vorschulangebot richtet sich vormittags an geflüchtete Kinder, die noch keinen Kitaplatz haben. Der Zirkus unterstützt auch die Eltern dabei, sich besser im Behördendschungel zurechtzufinden und schnell einen Kitaplatz für ihre Kleinen zu finden.

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