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Berlin: Generalist gegen Terrorist

Landeskriminalamt löst Abteilung „Ausländerextremismus“ auf

Pläne zur Umstrukturierung der Staatsschutz-Abteilung beunruhigen gegenwärtig die Mitarbeiter des Landeskriminalamts (LKA). Noch in diesem Sommer soll die unter anderem für al-Qaida zuständige Inspektion „Ausländerextremismus“ aufgelöst werden. Viele Ermittler halten die Pläne für einen fatalen Fehler. Hintergrund der Reform ist ein allgemeiner Umbau der für politische Delikte zuständigen Staatsschutz-Abteilung bei der Berliner Polizei. Statt wie bisher die jeweiligen Experten auf die linke und rechte Szene sowie auf ausländische Extremisten anzusetzen und sich dementsprechend spezialisieren zu lassen, sollen nach den Plänen künftig vier themenübergreifende Einsatzgruppen, Kommissariate, gebildet werden.

Die Ermittler der neuen Kommissariate müssen für alle Extremismusbereiche gleichermaßen einsatzbereit sein – und können sich dementsprechend weniger intensiv in einen Themenbereich einarbeiten. Das zumindest sieht der Entwurf einer neuen Organisationsstruktur für den Staatsschutz vor, der behördenintern jetzt vorgestellt wurde.

Spezialisten gibt es, sollte das Modell so umgesetzt werden, dann nur noch auf der Straße: Bei der weniger bedeutsamen politisch motivierten Kriminalität (PMK) – darunter fallen etwa Schmierereien, Propaganda oder illegale Protestformen - werden Fachgruppen für Ausländer, Rechte und Linke eingesetzt. Ermittlungen gegen extremistische Gruppen und Kontakte zu den Ermittlungsbehörden des Bundes sollen dagegen von den unspezialisierten Kommissariaten geführt werden.

Angesichts dessen, dass das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz die Spezialisierungen eher noch verfeinern, befürchten die Gegner des Konzeptes eine Abkopplung der Berliner Ermittler. Sie warnen beharrlich vor dem Verlust von Expertenwissen, insbesondere bei den islamistischen Strukturen. Hatten doch die Ermittlungsbehörden des Bundes nach dem 11. September bei der Islamismusaufklärung auf eine bessere Koordination zwischen Landes- und Bundesermittlern gedrungen. „Gerade beim Terrorismus braucht man doch jahrelange Erfahrung“, empört sich ein Mitarbeiter über die „Zerschlagung der Strukturen“ beim Staatsschutz: „Künftig macht keiner mehr, was er kann, alle machen alles und die Kollegen von den Bundesbehörden haben keine kompetenten zuständigen Ansprechpartner mehr.“

Ein ähnliches Konzept wie das jetzt vorgestellte hatte der Chef des Landeskriminalamtes, Peter-Michael Haeberer, im Februar 2003 noch als unausgereift wieder zurückgezogen. Jetzt allerdings bestätigt er: „Die Strukturüberlegungen sind abgeschlossen, jetzt wird mit den Mitarbeitern gesprochen und zum Herbst sollte die neue Struktur stehen.“ Der kritisierte Kompetenzverlust sei im Übrigen gewollt, sagt Haeberer. Eine starke Spezialisierung fördere nur Schubladendenken und das Burn-out-Syndrom, also den Motivationsverlust durch jahrelange Beschäftigung mit einer Sache. „Wir geben unsere geliebten Schubladen auf“, gibt der LKA-Chef den Kritikern zurück. Dadurch könne es erst wieder neue Impulse geben. Extremismus sei Extremismus, also auf die Zerschlagung des Staates ausgerichtet. Eine Spezialisierung sei hierfür nicht erforderlich. „Ich erwarte von jedem meiner Mitarbeiter, dass er sich in etwas völlig Neues einarbeiten kann“, fordert Haeberer. Und die Analysearbeit zu extremistischen Strukturen sollen künftig ohnehin nicht mehr die Ermittler selbst schultern. Dafür wird die deutlich verstärkte Abteilung „Auswertung“ als eine Art intellektueller Überbau künftig zuständig sein.

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